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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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wollen?«, fragte die Schwester, als sie die Hinterlassenschaften des elterlichen Besuchs abräumte.
    »Ich würde gern mit Niels reden.«
    Die Krankenschwester sah sie an, ohne sie zu verstehen.
    »Niels Bentzon! Der Mann, der auch in den Unfall verwickelt war.«
    »Ist er hier im Krankenhaus?«
    Hannah schüttelte den Kopf. Bestimmt war das wegen Weihnachten so, dachte sie. Das fest angestellte Personal hatte frei und einer weniger erfahrenen Reservemannschaft das Feld überlassen. Schließlich tauchte dann aber doch noch eine Schwester auf, deren runde Wangen und freundliche Augen Hannah wiedererkannte. Randi? Ja, Hannah war sich mit einem Mal sicher. Sie versuchte es. »Randi?«
    »Sie sind wach?«
    »Ich würde gern mit Niels reden.«
    »Das weiß ich doch. Das Problem ist nur, dass es ihm auch nicht bessergeht als Ihnen. Er schläft immer wieder ein und bekommt starke Schmerzmittel, die auch sedieren. Er ist zehn Minuten wach und dann wieder für drei Stunden weggetreten.«
    »Können wir nicht miteinander telefonieren? Es ist sehr wichtig.«
    Randi lächelte. »Das Wichtigste ist, dass Sie wieder auf die Beine kommen. Darin sind wir uns doch wohl einig, oder?« Sie nahm Hannahs Hand. »Ich muss ohnehin in die Richtung. Soll ich bei ihm vorbeischauen und nach ihm sehen? Vielleicht kann ich ja etwas vereinbaren, damit Sie wirklich miteinander sprechen können.«
    »Ja, gern.«
    Randi ging, und Hannah sah aus dem Fenster. Draußen wurde es langsam dunkel. Heiligabend im Rigshospital. Hannah schloss die Augen, bis sie leise Schritte an ihrem Bett hörte. Erst glaubte sie, die alte Frau hätte sich verlaufen. Sie trug keinen weißen Kittel, und ihr unsteter Blick wirkte etwas abwesend und verwirrt.
    »Hannah Lund?«, sagte sie und trat näher. »Sind Sie das?«
    Hannah sagte nichts. Sie fühlte sich schlapp und kraftlos.
    »Ich heiße Agnes Davidsen.« Die Frau reichte ihr ihre knochige Hand. Sie wartete aber nicht darauf, dass Hannah sie ergriff, sondern legte ihre Finger um Hannahs Hand und drückte sanft zu. »Darf ich kurz mit Ihnen reden?«
    Sie musste über siebzig sein. Ihre Haut fühlte sich wie Pergamentpapier an, und ihre Haare erinnerten an eine verwelkte Zimmerpflanze. Ihr Blick aber war lebendig und intelligent.
    »Sie hatten einen Autounfall?«
    »Ja.«
    »Sie saßen in einem Auto, das von einem anderen Wagen angefahren wurde?«
    »Ich saß in keinem Auto, aber ich wurde angefahren, ja.«
    »Vor fünf Tagen?«
    »Um was geht es?«
    »Ich bin gekommen, um Sie über Ihr Nahtoderlebnis zu befragen.«
    Hannah schüttelte lächelnd den Kopf. »Muss das Herz nicht stehen geblieben sein, damit man so etwas erfahren kann?«
    Agnes sah sie verwundert an.
    »Haben Sie das denn nicht erfahren?«
    »Schon, man hat mir gesagt, dass es ernst war.«
    »Hannah.« Agnes kam einen Schritt näher. »Sie waren tot. Zweimal.«
    »Sie müssen sich irren.«
    »Ich verstehe nicht, dass man Ihnen das nicht gesagt hat. Das ist wieder mal typisch Rigshospital. Wenn es hoch hergeht, bricht die Kommunikation mit den Patienten komplett ab. Vertrauen Sie mir: Ich weiß das. Ich habe mein ganzes Leben hier gearbeitet.«
    »Ich verstehe nicht.«
    Die Krankenschwester kam ins Zimmer, als Hannah gerade versuchte, das Bett zu verlassen. Sie stieß den Tropfständer um. »Was ist mit mir passiert?« Am liebsten hätte sie geschrien, es kam aber nur ein Krächzen über ihre Lippen. »Würde mich hier endlich mal jemand aufklären!«
    ***
    »Spontanpneumothorax.«
    Der Arzt hatte verstanden, dass Hannah ›eine von uns‹ war. Nicht bloß eine Akademikerin, sondern eine anerkannte Wissenschaftlerin. Astrophysikerin. Deshalb ging er den komplizierten Erklärungen nicht aus dem Weg: »Dabei kommt es zu einem Riss in den Lungenbläschen auf der Oberseite der Lunge, wodurch Luft in den Pleuraspalt eindringt und die Lunge zusammenpresst. Häufig schließen sich diese Risse sofort wieder, so dass die Lunge von allein wieder regeneriert.«
    Er sah sie an. »Brauchen Sie Ruhe?«
    »Lassen Sie mich den Rest hören.«
    »In Ihrem Fall hat sich durch den Zusammenstoß ein sogenanntes Lippenventil gebildet, durch das Luft in den Pleuraspalt dringen konnte, nicht aber wieder zurück in die Lunge. Dadurch kommt es zu einem sogenannten Spannungspneumothorax, bei dem sich immer mehr Luft im Pleuraspalt ansammelt. Das ist ein sehr gefährlicher, potenziell lebensbedrohlicher Zustand. Aber …« Er lächelte. »… jetzt haben wir Ihre Lunge wieder unter

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