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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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Der Dermatologe kam ins Stocken. »Ist das überhaupt eine Tätowierung?«
    »Ich bin nicht tätowiert.« Niels spürte, dass der Dermatologe ihm nicht zuhörte.
    »Sind Sie sicher? Was ist mit Hennatätowierungen? Waren Sie viel auf Reisen?«
    »Ich würde das gern sehen.«
    »Das muss so etwas sein.«
    Der Student mischte sich ein und sprach leise mit dem Arzt. »Kann das artifiziell sein? Ein Mongolian Spot?«
    »Ich habe keine Tätowierung auf dem Rücken!« Niels versuchte, lauter zu sprechen, was bei seiner unbequemen Lage, das Gesicht ins Kissen gedrückt, allerdings kaum möglich war.
    »Und Sie haben sich die auch nicht entfernen lassen?«, fragte der Dermatologe. »Hatten Sie schon einmal Probleme mit Pilzerkrankungen?«
    »Nein.«
    Niels konnte nicht sicher sagen, ob der Dermatologe mit dem Studenten, der Krankenschwester oder sich selbst redete, als er murmelte: »Schwache Schwellung der Epidermis. Anzeichen von Pigmentvariationen und Entzündungen.«
    »Ich würde das gern selbst sehen.« Niels versuchte, sich umzudrehen.
    »Wenn Sie bitte warten würden.«
    Jørgen Wass kratzte mit etwas Hartem über die Haut. »Ich muss eine Probe nehmen. Tut das weh?«
    »Ja.«
    »So viel zu sehen gibt es da nicht. Drehen wir ihn wieder zurück?«
    »Nein, ich will das selbst sehen.«
    Stille. Der Arzt sträubte sich. Niels konnte das deutlich spüren. »Gut, aber dann brauchen wir hier ein paar Spiegel.«
    Niels bewegte sich nicht, während die Krankenschwester zwei große Spiegel ins Zimmer schob. Sie brauchte eine Weile, um sie richtig auszurichten.
    »Es sieht ziemlich beeindruckend aus«, warnte der Arzt ihn. »Nicht, dass Sie sich erschrecken. Aber mit der richtigen Behandlung, vielleicht einer leichten Kortisonsalbe, sind Sie bald wieder gesund.«
    Niels betrachtete seinen Rücken. Das Mal hatte jetzt die gleiche Form wie bei den anderen. Es reichte von Schulter zu Schulter, und das Muster kam langsam zum Vorschein. Er konnte die Zahlen nicht erkennen, wusste aber, dass sie da waren. Die drei und die sechs. Sechsunddreißig.
    Der Arzt richtete sich auf und sah zu seinem Studenten hinüber.
    »Ich glaube, ich habe so etwas schon einmal gesehen«, sagte er.
    »Wo denn?«, fragte der Student.
    »Wie meinen Sie das?« Niels sah den Arzt an. Er drehte den Kopf, denn er wollte unbedingt Augenkontakt mit dem Arzt. »Sie haben so etwas schon einmal gesehen? Wo?«
    »Das ist lange her. Aber …«
    »Aber?«
    Der Arzt stand auf. »Ich werde das näher untersuchen und mich dann wieder melden.«
    Er nickte dem Studenten zu und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer.

4.
    4.
    Kardiologie, Rigshospital Hannahs Eltern bedankten sich, als die Schwester ihnen etwas zu essen brachte. Hannah hatte den Geruch seit Stunden in der Nase. Krustenbraten mit brauner Soße. Ihr Vater aß erst seine Portion und dann, während seine Frau noch etwas weinte und keine Silbe sagte, auch noch die ihre. Wir wollen doch nichts verkommen lassen. Das war sein Lebensmotto. Wenn man sich seinen Bauch ansah, konnte man sich fragen, ob das so vernünftig war, wie es klang.
    Hannah hatte es immer peinlich gefunden, wenn ihr Vater irgendwo dabei gewesen war. Mit Grauen erinnerte sie sich daran, wie ihre Eltern bei ihrer Disputation aufgetaucht waren und hinten in der letzten Reihe Platz genommen hatten. Ihr Vater hatte schnaufend gleich anderthalb Stühle in Anspruch nehmen müssen, und ihre Mutter hatte kein Wort gesagt. Das tat sie auch jetzt nicht.
    Es war ein endloser Besuch mit sehr wenigen Worten. Hannah hatte schon lange den Eindruck, dass sie sie aufgegeben hatten. Johannes’ Krankheit und Tod. Die Tatsache, dass Gustav sie verlassen hatte. Das alles war ihnen zu viel gewesen. Wie etwas aus einer anderen Welt. Hannah war ihnen schon als Kind fremd gewesen.
    Endlich gingen sie. Doch als sie in der Tür standen, stellten sie noch eine letzte Frage: »Oder sollen wir noch ein bisschen bleiben?«
    »Nein, geht nur. Es ist sicher das Beste, wenn ich mich jetzt ein wenig ausruhe.«
    Hannahs Eltern wollten bei ihrem Halbbruder übernachten, obwohl ihr Vater Rückenprobleme hatte und eigentlich nur in seinem eigenen Bett schlafen konnte. Er würde die Nacht in einem Sessel verbringen und morgen früh wieder nach Hause fahren.
    »Mein Mädchen«, hatte ihre Mutter ihr zugeflüstert, bevor sie gegangen war. Aber Hannah war nicht mehr das Mädchen von irgendjemandem, weder Gustavs noch das ihrer Eltern.
    »Und Sie sind sich sicher, dass Sie nichts

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