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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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kurzen Einblick in die Nachwelt als den endgültigen Beweis für die Existenz Gottes. Ich denke hingegen, dass man diese beiden Dinge voneinander trennen sollte. Wobei sich meine Meinung allerdings deutlich von der vieler meiner Kollegen unterscheidet. In meiner Welt ist es durchaus vorstellbar, dass es ein Nachleben gibt, in dem Gott keine Rolle spielt.«
    »Wie das?«
    Agnes zögerte.
    »Für mich ist es das Wichtigste, zu beweisen, dass es ein Bewusstsein jenseits des Körpers gibt. Wir glauben doch in zunehmendem Grad, dass man alles erklären, analysieren und kategorisieren kann.«
    … driving home for Christmas …
    Hannah schloss die Augen. Sie dachte an Johannes. Daran, wie er gewesen war, wie er ausgesehen hatte. In den letzten Monaten hatte sie tatsächlich mehrfach Schwierigkeiten gehabt, sich sein Gesicht in Erinnerung zu rufen. Einzelne Details hatten gefehlt, so dass sie auf Bilder hatte zurückgreifen müssen. Als ihr das im Spätsommer dieses Jahres zum ersten Mal bewusst geworden war, hatte diese Erkenntnis sie völlig aus der Bahn geworfen. Sie hatte sich wie eine Mörderin gefühlt, hatte sie bis dahin doch immer gedacht, dass Johannes zwar tot war, in gewisser Weise aber in ihr weiterlebte – in ihrer Erinnerung, so dass sie nur die Augen zu schließen brauchte, um ihn wieder lebendig vor sich zu sehen. Für sie war das immer ein Trost gewesen. Doch was, wenn das nicht mehr möglich war – hatte sie ihn dann nicht endgültig allein in der Dunkelheit stehen lassen?
    »Hannah?«
    Die Stimme hallte ein wenig und kam aus weiter Ferne. »Lassen Sie die Augen ruhig geschlossen, wenn das für Sie einfacher ist.«
    … Driving home for Christmas …
    Sie sagte nichts, hatte die Augen geschlossen und versuchte, sich an das Dunkel zu gewöhnen, das sie jetzt einhüllte. »Ich war in einem undurchdringlichen Dunkel.«
    Hannah konnte hören, dass Agnes ihre Tasche öffnete und irgendetwas herausnahm. Vielleicht ein Diktiergerät. Oder einen Kugelschreiber.
    … It’s gonna take some time, but I’ll get there …
    »Um mich herum war Luft, überall Luft. Aber dann wuchs aus dem Dunkel ein Lichtspalt, zuerst war das nur wie ein Riss. Weiß wie ein Kreidestrich auf einem riesigen Fußballplatz. Einem schwarzen Fußballplatz. Etwas Flachem. Verstehen Sie?«
    »Ja.«
    »Aber langsam öffnete sich der weiße Spalt und wurde zu einer Art Eingang. Das Licht war durchdringend, aber weich und angenehm.«
    Agnes holte leise Luft. Hannah ließ die Augen geschlossen. Jetzt musste es raus.
    »Ich bin nicht selbst gegangen. Ich wurde hochgehoben und dann in gewisser Weise fortgezogen. Als wären irgendwelche unsichtbaren Schnüre an mir befestigt gewesen. Um mich herum war dabei eine Stille, wie ich sie niemals zuvor erlebt habe. Eine Stille, so … nein … ich war total da. Meine Gedanken waren unheimlich klar!«
    Hannah lächelte bei der Erinnerung, und Agnes berührte mitfühlend ihren Arm.
    »Und was ist dann passiert?«
    »Ich musste an Niels denken.«
    »Ihren Mann?«
    Hannah dachte nach. Ist Niels mein Mann?
    »Sie begannen wieder zurückzukehren.«
    »Ja, aber nicht auf dem gleichen Weg. Es war dunkler.«
    »Und was dann?«
    Hannah sprach mit tränenerstickter Stimme. »Dann hing ich oben über mir selbst. Und sah, wie die Ärzte mit meinem Körper arbeiteten. Sie versuchten alles. Er war mir so fremd. Wirkte so weiß und entstellt. So hässlich.«
    »Sie schwebten über sich selbst?«
    »Ja.«
    »In diesem Zimmer hier?«
    »Ja.«
    »Haben Sie etwas gesehen, das Sie verwundert hat?«
    Hannah schwieg.
    »Hannah?«
    »Ja.«
    »Was?«
    »Ein Bild. Ein Bild von einem nackten Baby. Eine Zeichnung. Ein gestreiftes Baby.«
    »Gestreift?«
    »Ja. Sie wissen schon: Flowerpower – rot, gelb, blau, grün, alle möglichen Farben. Grelle Farben.«
    »Und dann sind Sie wieder erwacht?«
    »Nein, dann wurde alles schwarz. Und ich verschwand.«
    Hannah öffnete die Augen und wischte sich die Tränen weg. Agnes lächelte sie an.
    »Machen Sie schon. Ich bin Astrophysikerin. Ich weiß, wie es ist, wenn man auf einen Beweis wartet.«
    Agnes ging nach draußen. Hannah war einen kurzen Moment allein. Dann war Agnes mit einer Leiter wieder zurück und kletterte hinauf. Als sie auf die ersten Sprossen stieg, rutschte die Leiter ein paar Zentimeter über das Linoleum, so dass Agnes besorgt nach unten schaute.
    »Vielleicht sollten Sie jemanden holen, der die Leiter hält?«
    »Ach, es wird schon gehen.«
    Agnes Davidsen stieg die

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