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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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aufgefordert, weiteres Material zu schicken?« Commissario Morante schüttelte leicht den Kopf.
    Tommaso gab ihn auf und konzentrierte sich stattdessen auf den Mann rechts neben ihm. Sicher ein hohes Tier vom Festland.
    »Zuerst gab es nur einen Ermordeten. Dann waren es zwei. Und es gab Übereinstimmungen. Nicht nur das Mal am Rücken. Beide hatten es mehr oder weniger zu ihrer Berufung gemacht, anderen Menschen zu helfen.«
    Der Mann nickte interessiert.
    »Ich habe mich an Interpol gewandt. Aber die wollten sich nicht weiter mit dem Fall beschäftigen. Er war zu unbedeutend. Also habe ich selbst damit angefangen.«
    »Sie haben selbst damit angefangen?«
    Der Commissario wiederholte kopfschüttelnd Tommasos Worte.
    »Ja, ich hab Ermittlungen aufgenommen. In meiner Freizeit. Meine Arbeit habe ich erledigt. Ich habe nicht eine einzige Streife ausgelassen. Ich war nur in der Zeit damit befasst, die mir auch zusteht.«
    »Die Ihnen zusteht? Glauben Sie wirklich, dass es sich hier nur um Ihre Zeit dreht? Sie haben auch die Zeit anderer in Anspruch genommen. Zum Beispiel in unserer Botschaft in Delhi.«
    »Wir haben auch eine Verantwortung.«
    Commissario Morante überhörte Tommaso und fuhr fort: »Morgen haben wir prominenten Besuch. Der Justizminister und eine ganze Reihe von Richtern und Politikern. Was meinen Sie, wie das hier aussieht?«
    Tommaso fluchte innerlich. Seinen Vorgesetzten interessierten wirklich nur die prominenten Gäste, die sich inzwischen beinahe die Klinke in die Hand gaben. Jeder wollte seine Konferenz gern in Venedig abhalten. Vielleicht spürte der Commissario, dass Tommaso seine krankhafte Eitelkeit durchschaut hatte. Auf jeden Fall wechselte er die Taktik. »Was ist mit den Menschen, die am anderen Ende sitzen, Tommaso? Wenn Sie eine ›Red Notice‹ aussenden, muss sich an einem anderen Ort jemand darum kümmern. Sie haben in den verschiedensten Städten Menschen Arbeit angetragen und sie womöglich noch auf irgendwelche Ideen gebracht. In Ankara, in Sligo …«
    »Und in Kopenhagen. Weil es ein Muster gibt.«
    Der Commissario sah den Unbekannten vom Festland auffordernd an. Jedes Mal, wenn Tommaso das Muster erwähnte, fiel Morantes Blick auf den Mann, der sich jetzt räuspernd mit den Fingern durch die Haare fuhr.
    »Ein Muster, bei dem ich mir allerdings nicht ganz sicher bin«, fuhr Tommaso fort. »Zwischen einigen der Tatorte liegen dreitausend Kilometer. Da war es doch selbstverständlich, die Polizeibehörden zu warnen, die in der unmittelbaren Gefahrenzone lagen.«
    Stille senkte sich über sie. Commissario Morante sah wieder zu dem Unbekannten hinüber, der schließlich das Wort ergriff: »Signore Barbara«, begann er und ließ die Worte für einen Moment in der Luft hängen. »Wir wissen, dass Ihre Mutter schwer erkrankt ist.«
    Tommaso runzelte die Stirn. Was hatte das denn damit zu tun?
    »Ja.«
    »Sie ist in einem Hospiz?«
    »Ja, die Franziskanerinnen kümmern sich um sie.«
    »Es ist hart, wenn die eigene Mutter im Sterben liegt. Ich selbst habe meine erst vor einem Jahr verloren.«
    Tommaso sah ihn fragend an und blickte dann zu Morante, der zu Boden starrte.
    »Manchmal kommt es vor, dass man sich in Stresssituationen, die man nicht beeinflussen kann, absolut wahnsinnige Aufgaben stellt. Als eine Art mentale Kompensation. Eine Art Ersatz. Verstehen Sie, was ich sage?«
    »Entschuldigen Sie, wer sind Sie?«
    »Dr. Macetti.«
    »Doktor? Welches Fachgebiet?«
    »Psychiatrie«, antwortete er und sah Tommaso in die Augen, bevor er fortfuhr: »Es ist vollkommen natürlich und ganz in Ordnung, dass das Hirn mit einer Welle von Aktivität antwortet. Diese Reaktion ist sogar gesünder, als einfach passiv zu bleiben. Oder depressiv zu werden und zu trinken anzufangen.« Die letzte Bemerkung des Psychiaters war an den Commissario gerichtet, der eifrig nickte.
    »Glauben Sie, dass ich verrückt geworden bin?«
    Sie lächelten verlegen. »Ganz und gar nicht«, sagte der Psychiater. »Ihre Reaktion ist vollkommen normal.«
    Tommaso richtete seine Aufmerksamkeit auf das Päckchen auf dem Tisch. Es war ungeöffnet.
    »Vielleicht wäre es das Beste, wenn Sie sich auf Ihre Mutter konzentrieren würden?«, fuhr der Psychiater fort. »Dann könnten Sie mich auch ein paarmal pro Woche in Veneto besuchen.«
    »Es ist auch nicht unbedingt nötig, dass wir von einer Suspendierung sprechen«, sagte der Commissario. »Das klingt so dramatisch. Ich muss Sie aber trotzdem bitten, Ihr Büro zu räumen

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