Die Auserwählten
here saying that you were the first officer to …«
»Excuse. Parla italiano?«
»No.«
»French?«
Niels zögerte. Er bekam Augenkontakt mit der Sekretärin.
»Sprechen Sie zufällig Italienisch? Oder Französisch?«
»Nein.« Sie strahlte wie eine Sonne; selten hatte Niels jemanden gesehen, der so glücklich darüber war, eine fremde Sprache nicht zu sprechen. Oder freute sie sich über die unerwartete Aufmerksamkeit? Thorvaldsen kam aus seinem Büro.
»Monsieur? Hallo?«, sagte die Stimme im Telefon.
»I’ll call you back later, Mister Barbara. Okay?« Niels legte auf und erhob sich.
Thorvaldsen stand in der Tür und verabschiedete seine beiden Gäste.
»Lassen Sie sich nicht in die Karten schauen, wir brauchen jetzt keinen Presserummel«, sagte er zu einem der beiden und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Sind wir uns da einig?«
»Ein Mann von der Polizei bittet Sie um eine kurze Unterredung.« Die Sekretärin sprach leise und nervös.
»Polizei?« Thorvaldsen wandte sich Niels zu. »Ist etwas passiert?«
»Nein, nein.« Niels trat näher und gab ihm die Hand. »Niels Bentzon, Polizei Kopenhagen.«
Thorvaldsens Händedruck war fest, sein Blick direkt. Er war ein Mann, der es gewohnt war, ernst genommen zu werden. »Polizei?«, wiederholte er.
Niels nickte. »Es dauert nur ein paar Minuten.«
15.
15.
Polizia di Stato, Venedig
Tommaso notierte sich die Nummer des dänischen Beamten. Trotz seines neu erworbenen Titels Vom Dienst suspendiert war er total aus dem Häuschen. Zum ersten Mal in all der Zeit, die er nun an dem Fall arbeitete, hatte jemand reagiert. Er saß allein in seinem Büro, hinter geschlossenen Türen. Der Kommissar hatte ihm den Rest des Tages zur Verfügung gestellt, um den Bericht über den Mord an dem Glasbläser ins Reine zu schreiben. Nicht, dass es bei diesem Fall Probleme gegeben hätte. Die Witwe hatte ein klares Geständnis abgelegt und als Motiv angegeben, dass sie sein Stottern nicht länger ausgehalten habe.
Von den Fenstern seines nur mit einem Stuhl, einem Schreibtisch und einem grünen Kunstledersofa möblierten Büros blickte man über den Kanal und den Bahnhof. Das kleine Nebenzimmer, eigentlich die Garderobe, nutzte Tommaso nicht für seine Kleidung, was Commissario Morante anscheinend verborgen geblieben war, da er es sonst sicher im Zug der Suspendierung angesprochen hätte. Es war Tommasos kleines Archiv. Die Wände der Garderobe waren mit Zetteln und Bildern des Falls beklebt. Mit Fotos der Toten und Karten von den Tatorten. Mit Bibelzitaten und Tommasos Gedanken und Vermutungen. Als er Schritte hörte, schloss Tommaso schnell die Garderobentür. Er wusste, dass sie ihn beobachteten.
Marina, seine Sekretärin, lief schuldbewusst durch das Vorzimmer. Natürlich war auch sie in die Mangel genommen worden. Zaghaft klopfte sie an die Scheibe.
»Kommen Sie herein«, sagte Tommaso.
Marina streckte den Kopf herein, gab sich aber alle Mühe, den Rest ihres Körpers im Vorzimmer zu lassen.
»Das Krankenhaus hat angerufen. Ihre Mutter hat die ganze Nacht über nach Ihnen gefragt.«
»Kommen Sie doch herein, Marina.«
Sie gehorchte. Und schloss die Tür hinter sich.
»Was sollte ich tun? Der Commissario hat gestern Abend bei mir angerufen und mich ins Präsidium zitiert. Um zehn Uhr abends.«
In ihren Augen standen Tränen.
»Immer mit der Ruhe. Ich mache Ihnen doch gar keinen Vorwurf.«
»Sie haben mich hinters Licht geführt.«
»Habe ich das?«
»Ich dachte doch, dass Sie im Einvernehmen mit der Behörde operieren. All diese Übersetzungen, um die Sie mich gebeten haben.«
Sie deutete mit der Hand in Richtung Garderobe. »Wissen Sie, wie viele Stunden ich für Sie übersetzt habe? Ins Englische und Italienische und umgekehrt?«
»Sie waren mir eine große Hilfe! Und danke, dass Sie davon nichts gesagt haben …«
Er zeigte auf die Garderobentür.
»Es hat mich niemand danach gefragt.«
»Gut, Marina.«
»Stimmt es, was die sagen? Dass Sie verrückt geworden sind?«
»Verrückt? Nun, was meinen Sie denn?«
Marina drückte den Rücken durch und unternahm einen Versuch, Tommasos mentalen Zustand zu ergründen. Er lächelte. Er brauchte sie, um wieder in den Besitz des Päckchens aus China zu kommen. »Sehen Sie mich nicht so an«, sagte er.
»Sie sagen, es sei wegen Ihrer Mutter.«
»Fragen Sie sich doch selbst mal, wem Sie glauben? Mir oder dem Commissario?«
Sie dachte nach. Er hatte diese vernünftige Frau damals selbst ausgewählt.
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