Die Auserwahlte
Gesicht Einzug hielten. »Warum, dunkle Schwester, stirbst du nicht wie alle anderen unserer Rasse?«
*
Bisher war Liliths Plan aufgegangen. Doch wenn sie ehrlich zu sich selbst war, mußte sie sich eingestehen, daß sie ihn gar nicht über diesen Punkt hinaus weitergesponnen hatte. Ab dieser Stelle wollte sie sich auf ihr Improvisationstalent verlassen und aus der Situation heraus entscheiden.
Und das tat sie nun.
»Darauf weiß ich selbst keine Antwort. Ich hoffte, du würdest sie mir vielleicht geben können«, sagte sie in einem Ton, von dem sie hoffte, er würde unsicher genug klingen, um glaubhaft zu machen, daß sie wirklich gekommen wäre, um Hilfe zu suchen.
»Woher sollte ich sie wissen?« fragte das Sippenoberhaupt von Chinatown zurück.
Lilith zuckte die Schultern und zeigte dabei die sündhafte Abart eines Kleinmädchenlächelns.
»Weil du ebenso ausgenommen bist von dem Sterben der Vampire wie ich?« entgegnete sie.
Der andere erwiderte das Lächeln auf eine Weise, die deutlich machte, daß er an Antworten im Grunde nicht interessiert war. Nicht im Augenblick zumindest.
Er trat näher, und seine Finger berührten Liliths Gesicht, zeichneten die feinen Linien darin nach, und sie mußte an sich halten, um das Stöhnen in ihrer Kehle zurückzuhalten.
»Welcher Sippe gehörst du an?« fragte der Vampir erneut.
»Keiner«, sagte Lilith nach einer halben Sekunde des Überlegens. »Ich war - ich bin eine Einzelgängerin.«
Die strichdünne Braue über dem linken Mandelauge des Vampirs rutschte ein wenig nach oben. Die unscheinbare Geste drückte jedoch nicht etwa Mißtrauen aus, sondern verriet etwas wie stumme Bewunderung.
»So hast du ein Leben in Einsamkeit gewählt.«
Nein, ich habe es nicht gewählt, antwortete Lilith in Gedanken und ohne es wirklich zu sagen, es wurde mir aufgezwungen. Ich bin verdammt zu ewiger Einsamkeit...
Als Lilith nur schweigend seinen Blick erwiderte, sagte er: »Bist du es müde, dieses Leben?«
»Ja, das bin ich«, antwortete Lilith, und der Vampir konnte nicht wissen, wie sehr sie diese Einsamkeit tatsächlich haßte. Allenfalls die Inbrunst, mit der ihr die Worte über die Lippen kamen, hätte ihm etwas davon verraten können.
»Dann teile dein Leben mit mir«, bot der Vampir an. »Denn auch mich wird die Einsamkeit verschlingen, wenn erst alle meine Kinder dem Tod anheimgefallen sind. Und das werden sie bald. Niemand vermag es aufzuhalten.«
»Ich kenne nicht einmal deinen Namen«, flüsterte Lilith rauh. Ihr ganzer Körper vibrierte wie unter schwachem Strom, und der andere mußte seine Ausstrahlung für die Ursache halten. Daß Liliths bebender Blick immer wieder dorthin glitt, wo an seinem Hals träge eine Ader pulsierte, merkte er nicht. Zu sehr zog ihn ihre Schönheit in Bann.
»Wong Chan«, sagte er. »Und wie darf ich dich nennen?«
»Vanessa.«
Das Risiko, ihren wahren Namen zu offenbaren, schien Lilith zu groß. In Vampirkreisen war er in den letzten zwei Jahren zu oft voller Haß und Verachtung genannt worden. Auch Wong Chan könnte ihn schon einmal gehört haben.
Das lichtlose Feuer in Wong Chans schwarzen Augen schien durch den bloßen Klang des Namens noch geschürt zu werden.
»Vanessa«, wiederholte er, und nach einer Weile fügte er hinzu: »Wie muß dieser Name klingen, wenn er in höchster Lust hervorgestoßen wird?« Lilith hatte keine Mühe, zu erkennen, was hinter seiner Stirn vorging.
Und obwohl die Frage geklungen hatte, als hätte er sie eher sich selbst gestellt, erwiderte sie kehlig: »Laß es uns herausfinden.«
* Lilith wurde gepfählt.
Und sie genoß es!
Jeder einzelne ihrer keuchenden Atemzüge war voller Lust, und wenngleich sie es an Kondition mit jedem Hochleistungssportler aufnehmen konnte, spürte sie doch, wie ihre Beckenmuskeln von dem langen Ritt auf Wong Chan zu schmerzen begannen. Doch es war ein Schmerz, den sie bis ans Ende aller Zeiten ertragen zu können glaubte - - wenn es nicht Wichtigeres gegeben hätte.
Lebenswichtigeres!
Sie bewegten sich im Rhythmus ihres immer heftiger wallenden Blutes, das längst in harmonischem Gleichklang durch die dunklen Kanäle ihrer Körper rauschte.
Lilith ertappte sich dabei, wie sie immer mehr von jenem längst spürbaren Pulsieren erregt wurde als von Wong Chans kräftigen Stößen, mit denen er sein Becken ihrem feuchten Schoß entgegenhob.
Und sie wußte, daß sie ihm nicht mehr lange würde widerstehen können.
Nicht mehr .
Jetzt!
Mit einem leisen Aufschrei
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