Die Ausgelieferten
unnötig gewesen waren, da die Balten in relativ guter Verfassung waren und selbst gehen konnten. Nach Erledigung der Aufnahme-Formalitäten konnten sie sich gleich schlafen legen. Wasser war das einzige, was sie haben wollten. Die Vorbereitungen Signe B.s hatten sich also als überflüssig erwiesen.
Über die Verteilung der Anführer. Die Balten wurden in verschiedene Krankenhäuser, nach Ulricehamn, Halmstad, Kristianstad, Växjö, Kalmar, Eksjö und Örebro, verlegt, ihre Offiziere und Anführer sorgfältig getrennt. Eichfuss kam nach Ulricehamn, Lielkajs nach Eksjö, Slaidins und Raiskums nach Örebro, Gailitis und Kaneps nach Halmstad, Kessels und Cikste nach Växjö.
Verschiedene Versuche, sich in der neuen Lage zurechtzufinden. Der von der Medizinalbehörde ausgesandte H. befand, dass die Pflege dieser Patienten im allgemeinen keine Schwierigkeiten bereitet habe. Die Verweigerung der Nahrungsaufnahme dauere zwar an, führe jedoch nur zu einer allgemeinen Verringerung der Körperkräfte, die in keinem Fall so gravierend sei, dass der betreffende Patient sein Bett nicht aus eigener Kraft verlassen könne. In einzelnen Fällen habe man bei der Einlieferung in die verschiedenen Kliniken ein leichtes Lungenödem diagnostiziert, das aber bald wieder verheilt sei. Die trägen Reaktionen der Pupillen, die man bei manchen Soldaten in den Lagern festgestellt hatte, habe man nach der Einlieferung in die Kliniken trotz fortgesetzter Nahrungsverweigerung nicht mehr beobachten können.
H. konnte mit Befriedigung feststellen, dass einige soeben von einer Hepatitis genesene Patienten, die infolge der Nahrungsverweigerung auch leichte Symptome von Ikterus gezeigt hätten, nunmehr ohne Beschwerden seien, nachdem die nötige Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr gesichert sei. Die Patienten, die wieder Nahrung zu sich nähmen, hätten sich auffallend rasch erholt. Schwierigkeiten beim Essen hätten sich nicht ergeben, obwohl man in manchen Fällen nur die normale Krankenhauskost habe anbieten können.
Es sei jedoch wichtig, die rein psychischen Unruhe- und Spannungszustände zu beseitigen, unter denen alle Patienten litten. Diese psychische Komponente sei besonders bei den Balten von großer Bedeutung. Auch bei einigen deutschen Patienten sei das Trauma so groß gewesen, dass es den Ausbruch von Geisteskrankheit provoziert habe. In Boras seien ein Fall von Melancholie und zwei von schizoiden Reaktionen festgestellt worden, in Malmö ein Fall von katatoner Psychose. Es sei schwer, mit den einzelnen baltischen Patienten näheren Kontakt zu bekommen, da nur wenige die deutsche oder englische Sprache beherrschten. Es sei folglich nicht möglich, ihren psychischen Zustand zu diagnostizieren. H. meinte weiter, dass man den behandelnden Ärzten genügend Informationen und Instruktionen geben müsse, damit sie den Depressionen entgegenwirken könnten.
Die Balten seien im übrigen angenehme Patienten, sie folgten willig allen Anordnungen, wenn man einmal davon absehe, dass sie auch weiterhin die Nahrungsaufnahme verweigerten.
Eine Beobachtung. H. hatte feststellen können, dass der Zusammenhalt unter den Letten, die ja das stärkste Kontingent unter den baltischen Patienten stellten, sehr eng zu sein schien. Die übrigen Balten sonderten sich von den Letten ab und kümmerten sich nur wenig um die Richtlinien, auf die sich die Letten zur Sicherung ihrer Aktion geeinigt hatten.
Die Beobachtung H.s scheint durch folgendes bekräftigt zu werden. Auszug aus einem »Tagesbefehl an die im Lazarett von Halmstad liegenden baltischen Internierten«. Er ist am 30.11.1945 ausgestellt und von Karlis Gailitis unterzeichnet. Punkt 4. »Der Streikbrecher Johannes Indres (Este) wird mit sofortiger Wirkung für immer aus unserer Gemeinschaft ausgeschlossen. Jede wie auch immer geartete Verbindung mit ihm ist streng verboten. Sollte etwas, was seine Person betrifft, noch nicht geregelt sein, ist nur der Vorstand (oder ich selbst) befugt, sich mit diesen Dingen zu befassen. Sollte jemand unerlaubterweise Verbindung mit Indres aufnehmen, wird das als Streikbruch gewertet werden.«
Eine Bemerkung über die Bewachung. Die Bewachung in Växjö, Kalmar und Örebro gab H. Anlass zum Tadel. An diesen drei Stellen fehle es an einer äußeren Bewachung. In Kalmar sei sogar die Bewachung im Krankenhaus in höchstem Maße unbefriedigend. Die Ärzte dort hätten diesen Missstand den örtlichen Polizeibehörden mitgeteilt, es sei aber dennoch nichts unternommen
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