Die Ausgelieferten
und verlief streckenweise äußerst dramatisch. Sie wurden wiederholt von russischen Flugzeugen angegriffen. Auf Gotland nahm sie ein schwedischer Offizier in Empfang. »Er war sehr freundlich zu uns«, heißt es übereinstimmend.
Das Protokoll ist lang, detailliert und macht einen relativ sachlichen Eindruck, es gibt jedoch keinen Aufschluss über persönliche Züge von Vincas Lengvelis. Der Versuch, ein Porträt von ihm zu zeichnen, ist also sinnlos.
Im Lagertagebuch vom 10. September 1945 findet sich kein Hinweis auf den Zwischenfall beim Pilzsammeln oder auf den Beschwerdebrief Lengvelis’. Die Eintragung von diesem Tag ist sehr kurz.
Da steht nur: »18 Uhr. Die Hunde freigelassen. 18.30. Dämmerung. Die neue Außenbeleuchtung eingeschaltet. Obergefreiter Hammarström führt eine Sonderübung mit dem Spürhund Nero durch.«
Darstellung einer kurzen romantischen Episode.
Am 20. September beantragte der lettische Leutnant A.K. eine Besuchserlaubnis für seine Frau K.K. Sie war im August 1944 von Lettland geflohen, aber da ihr Mann seit dem Frühjahr 1943 in der Armee gedient hatte, hatten sie sich seitdem nicht mehr gesehen. Sie wohnte jetzt auf Gotland, sie hatten brieflichen Kontakt miteinander, und beide wünschten sich zu sehen. Der Antrag wurde sofort genehmigt.
Sie kam am 23. September um 11.30 Uhr mit einem Wagen an und fuhr, laut Aufzeichnung des Wachhabenden, um 16 Uhr am selben Tag wieder ab. Ein schwedischer Rekrut, der gut Deutsch sprach und den Auftrag erhalten hatte, die Begegnung zu arrangieren, half ihr aus dem Wagen und begleitete sie zu dem Zimmer, in dem ihr Mann schon seit einer Stunde wartete. Sie war dunkel, mittelgroß, relativ gut gekleidet, sie hatte weiche, regelmäßige Gesichtszüge – eine magere Frau – und sprach nur Lettisch. Sie war schwanger, vielleicht im sechsten oder siebenten Monat. Der Rekrut führte sie sofort zum Treffpunkt.
Kaum trat die Frau ins Zimmer, umarmten sich die Eheleute stürmisch und blieben eine Weile so stehen, ohne etwas zu sagen. Der schwedische Soldat stand hinter ihnen. Dann riss die Frau sich los, sah sich mit einem eigentümlichen, fast verzweifelten Gesichtsausdruck um, setzte sich auf einen Stuhl und begann heftig zu weinen. Der Mann blieb stehen und sah sie verblüfft an. Der Schwede nahm rasch Haltung an, salutierte und verließ das Zimmer.
Draußen gab es einen Tisch, einen Stuhl, einen Aschenbecher. Der Wachsoldat setzte sich und wartete. Er erinnert sich noch sehr gut an alles.
Nach etwa zehn Minuten hörte er heftiges Streiten, die Eheleute schienen sich laut anzuschreien. Der Sergeant blieb einige Sekunden unschlüssig sitzen, erhob sich dann und öffnete die Tür. Der Mann stand am Fenster, seine Frau saß auf dem Stuhl. Das laute Zanken hatte sofort aufgehört, als der Soldat die Tür öffnete, der Mann wandte sich schnell und offensichtlich demonstrativ um und blickte, mit dem Rücken zum Zimmer, auf den Hof hinaus; seine Frau starrte den Schweden stumm und feindselig an.
Da ihm nichts einfiel, was er hätte sagen können, ging er wieder hinaus und schloss die Tür. Er hörte sofort, dass das Gespräch wiederaufgenommen wurde, jetzt aber leiser und vorsichtiger. Der Wachhabende setzte sich und rauchte weiter.
Um 13 Uhr bekam er Kaffee und zwei Heißwecken. Er aß sie sorgfältig auf, ging dann auf die Treppe, um »Nachschub« zu verlangen. Eine Viertelstunde später kam jemand mit einer Kaffeekanne, zwei Tassen und einem Teller mit Heißwecken. Er nahm das Tablett, klopfte vorsichtig an die Tür und öffnete sie nach einer Weile, da niemand antwortete. Die Eheleute saßen dicht nebeneinander; sie schienen beide geweint zu haben. Der Sergeant stellte das Tablett auf den Tisch und bedeutete den beiden, sich zu bedienen, worauf der Mann schwach lächelte und nickte. Während dieser kurzen Zeit wurde kein Wort gesprochen.
Eine halbe Stunde später ging der Sergeant wieder hinein, um das Tablett abzuholen. Das Gespräch war jetzt, da er draußen kaum noch etwas gehört hatte, fast verstummt; die Pausen wurden immer länger. Er nahm das Tablett, warf den Eheleuten einen raschen Blick zu und ging wieder hinaus. Er hatte nichts Besonderes bemerkt, da die beiden nur stumm dasaßen.
Kurze Zeit darauf begann der Mann wieder zu sprechen, offensichtlich ununterbrochen und recht lange. Danach begann wieder ein heftiger Wortwechsel, der sich jedoch in einer erträglichen Lautstärke abspielte.
Um 15.30 Uhr ging die Tür auf, und die Frau
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