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Die Ausgelieferten

Die Ausgelieferten

Titel: Die Ausgelieferten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
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habe ihm widersprechen können, er sei der Funke gewesen, der später alle Lager in Schweden zum Brennen gebracht habe. Er sei der Ausgangspunkt gewesen, dann hätten die Flammen auch auf die Deutschen übergegriffen, bis es schließlich überall, überall gebrannt habe.
    Am Nachmittag des 28. November, nach dem Selbstmord Lapas und nach der Besprechung des Streikkomitees und der Offiziere in dem ehemaligen Kantinenraum, kam Eichfuss zu seiner täglichen Pressekonferenz heraus. Er ging allein über den Hof ans Lagertor, wo er von zwei schwedischen Wachposten begrüßt und die wenigen hundert Meter zu der Stelle begleitet wurde, wo die Presseleute auf ihn warteten.
    Er teilte ihnen kurz und bündig die Nachricht vom Tode Lapas mit.
    – Der Selbstmord Oscars Lapas, fuhr er nach kurzem Zögern fort, ist ein Zeichen dafür, wie weit unsere Sache fortgeschritten ist. Er zeigt, dass der letzte Punkt in unserem Widerstandsprogramm nun zur Anwendung gekommen ist und dass wir bald vor einer dramatischen Zuspitzung stehen werden.
    Er fuhr fort zu sprechen, lebhaft, aber entschieden, er lächelte oft und überraschend; der Wachposten, die hinter ihm standen, schien er sich gar nicht bewusst zu sein. Lapa, erzählte er, habe einen Zettel hinterlassen. Wortlaut: »Machen Sie bitte niemanden für das verantwortlich, was ich getan habe. Ich habe es aus freien Stücken getan und niemanden um Rat gefragt. Es hat mir auch niemand etwas dafür gegeben.« Lapa habe sich Messerstiche ins Herz, in einen Fuß sowie in beide Hände beigebracht. Wohin versuchte Eichfuss die Gedanken zu lenken?
    Nach einer halben Stunde ging er wieder ins Lager zurück, von zwei Soldaten flankiert. Er entfernte sich von den Presseleuten mit den leichten und schnellen Schritten eines glücklichen Mannes. Am selben Nachmittag erörterte er das Geschehene mit der schwedischen Lagerleitung. Er bedauerte den Selbstmord Lapas mit fast entschuldigenden Worten, als gäbe er zu, Misserfolg gehabt zu haben. Ein anwesender Presseoffizier kam nach diesem Gespräch zu der Überzeugung, dass »eine eventuelle Isolierung Eichfuss’ eine Selbstmordwelle zur Folge haben könnte«.
    Er erwähnt in diesem Zusammenhang nichts von einer eventuellen Isolierung der übrigen baltischen Offiziere oder einem Abschneiden der Verbindungen zwischen Soldaten und Offizieren. Bei diesem Gespräch erklärte Eichfuss auch, dass die Lage jetzt derart explosiv geworden sei, dass er für die Zukunft jede Verantwortung ablehnen müsse.
    Am frühen Morgen des 29. November fand eine einfache Trauerfeier zum Gedenken an Oscars Lapa statt. Sein weißer Sarg stand in der Unterkunft der baltischen Offiziere, und dort sprach Pastor Stahle ein kurzes Gebet für den Verstorbenen. Anschließend hielt Oberstleutnant Gailitis eine kurze Gedenkrede. Während der Zeremonie war der Sargdeckel abgenommen, danach wurde der Sarg mit der rotweißen lettischen Fahne bedeckt und aus dem Lager gebracht.
    Zwei Tage später wurde der Tote im Krematorium von Eksjö eingeäschert. Die Urne wurde auf dem Adolf-Fredriks-Friedhof in Stockholm beigesetzt.
    Was hatte ihn in den Tod getrieben?

10
    Nach Ausbruch des Hungerstreiks im baltischen Lager war dieses sofort isoliert worden, um eine Kommunikation mit den internierten Deutschen zu verhindern. Diese hatten jedoch durch Zeitungen und den Rundfunk bald von dem Streik erfahren und folgten nach wenigen Tagen dem Beispiel der Balten.
    Aus einem Polizeibericht
    D ie Balten machten den Anfang. Ihr Hungerstreik begann am 22. November, von ihnen ging alles aus. In Ränneslätt hatten Lagerleitung und Wachmannschaften sofort dafür gesorgt, dass Zeitungen, in denen über die Auslieferung berichtet wurde, nicht mehr verteilt wurden. Durch diese Maßnahme und weil man die Rundfunkgeräte einzog, isolierte man das Lager der Deutschen.
    Die Isolierung wurde jedoch sehr bald wieder aufgehoben. Der schwedische Lagerchef Grahnberg gibt in einem schriftlichen Bericht an, dass »aufgrund einer Mitteilung des Verteidigungsstabes Zeitungen schon am 24. November wieder verteilt werden durften«.
    Die Nachricht von der Auslieferung war zu diesem Zeitpunkt im Lager der Deutschen bereits bekannt. Jetzt erfuhr man dort durch die Zeitungen auch (meistens wurde das Svenska Dagbladet gelesen), dass die Balten mit einem Hungerstreik begonnen hatten und dass eine starke öffentliche Meinung für sie arbeitete.
    Die Zeitungen bekamen sie am Morgen des 24. November zu lesen. Am Nachmittag begannen die

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