Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
Vom Netzwerk:
Reise abwaschen. Obwohl wir keinen Hunger leiden, beginnen unsere Kleider, lose um unsere Körper zu schlackern. Ich binde mir ein langes Stück von meinem Laken um den Bund meiner Hose, damit sie mir nicht über die Hüften rutscht. Tomas bleibt ebenfalls nichts anderes übrig. Wir unterhalten uns nur noch über die oberflächlichsten Themen. Hin und wieder ertappe ich Tomas dabei, wie er mich anstarrt, als ob er mir gerne etwas erzählen würde. Aber das tut er nicht. Und ich gebe ebenfalls nichts preis.
    Bei jedem Geräusch zucke ich zusammen, obwohl wir weder von Tieren noch von seltsamen Menschen angegriffen werden. Zweimal allerdings entdecken wir am nördlichen Horizont Silhouetten, die von weiteren Testkandidaten stammen könnten. Wir treten schneller in die Pedale, um jedes Zusammentreffen zu vermeiden. Der Mann auf der anderen Seite des Zauns lässt sich nicht noch einmal blicken.
    Ein Tag nach dem anderen verrinnt.
    Die Schatten unter Tomas’ Augen werden immer dunkler. Zwar lacht er manchmal oder macht Scherze, aber ich kann sehen, wie sehr die Situation an ihm zehrt.
    Meine Albträume werden schlimmer. Freunde, meine Familie und Feinde finden einen Weg in meine Träume, doch ich lerne, die Schreie beim Aufwachen zu unterdrücken. Immer wieder taste ich unwillkürlich nach dem Fläschchen in meiner Tasche, um mich zu beruhigen. Die Wunden an meinem Arm machen mir jedoch große Sorgen. Während der ersten paar Tage habe ich mir eingeredet, ich würde mir die Veränderung nur einbilden, aber nach einer Woche kann alles Hoffen nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass die Schmerzen schlimmer werden. Der Schorf, der sich gebildet hat, wird grün und sondert ein gelbliches Sekret ab. Was für Chemikalien es auch immer gewesen sind, die die Menschen in dieser Gegend haben mutieren lassen, sie sind nun auch in meinen Körper gelangt. Wieder nehme ich Schmerzmittel, trinke viel Wasser und bete, dass ich bis zum Ende dieses Prüfungsteils durchhalte, ohne dass die Infektion eine dauerhafte Schädigung zur Folge hat.
    Nach mehr als einer Woche auf dem Fahrrad entdecken wir die nächste größere Ansammlung von Gebäuden am Horizont. Hier sind sowohl die nördliche als auch die südliche Grenzlinie zu sehen. Die Prüfer haben das Gebiet auf diesen letzten zweihundert Meilen eingeengt. Wenn noch andere Prüflinge in der Nähe sind, dann werden wir ihnen mit ziemlicher Sicherheit begegnen.
    Fußspuren am Rande der Straße und etwas, das wie Reifenabdrücke aussieht, verraten uns, dass mindestens zwei, vielleicht auch drei Kandidaten hier gewesen sind. Wir waren ja schon schnell, aber sie sind offenbar noch besser als wir vorangekommen. Also wäre es möglich, dass sie irgendwo in den Straßen der vor uns liegenden Stadt auf uns lauern.
    Wir warten ab, bis der Morgen graut, dann wagen wir uns in das Straßengewirr hinein. Die Stadt wirkt ausgestorben, aber einige der Gebäude sind in verhältnismäßig gutem Zustand. Dann biegen wir um eine Ecke, und die Häuserreihen brechen mit einem Schlag ab. Hinter dem letzten Gebäude gähnt ein riesiger, tiefer Krater, der sich über ein Gebiet erstreckt, so weit das Auge reicht. Gesäumt wird das Loch von Häusern wie jenen, an denen wir gerade vorbeigelaufen sind. Dieser Ring umfasst mehrere Straßen. Das ist alles, was von einem Ort noch übrig ist, an dem einst Menschen gewohnt und gearbeitet haben.
    Unsere Finger umklammern die Lenker unserer Fahrräder, während wir ungläubig in die Leere starren. Viele Meilen von verbranntem Nichts. Während das Land hinter uns zwar verseucht ist, gibt es dort immerhin einige Pflanzen, die sich angepasst haben und die am Leben sind. Vor uns liegt eine Fläche, in der nicht einmal ein Hauch von Grün zu sehen ist. Hier gibt es nichts Lebendiges. Ich versuche mir vorzustellen, was früher mal hier gestanden hat. Oder wie irgendein Anführer ein Bombardement mit diesem Resultat befehlen konnte – mit dieser Zerstörung, die man nicht mit einem richtigen Gemisch an Chemikalien oder einer neuen Sorte Pflanzen wieder in Lebensraum zurückverwandeln kann. Die Erde ist widerstandsfähig, sicher, aber es ist schwer vorzustellen, dass dieser Ort jemals wieder etwas anderes sein wird als die entsetzliche Erinnerung an das, was wir Völker einander antun können.
    Der Krater reicht meilenweit, und uns bleibt keine andere Wahl, als uns einen Weg zu suchen, der um ihn herumführt. Das bedeutet, dass wir uns durch das Labyrinth der Straßen wagen

Weitere Kostenlose Bücher