Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)
Schule verantwortlich war, wurde nur ein einziger Schüler der Abschlussklasse für die Prüfung ausgewählt. Ich glaube nicht, dass das ein Zufall war. Du etwa?« Mir läuft ein eisiger Schauer über den Rücken. Ich weiß nicht, was ich noch denken soll. Es ist unvorstellbar, dass die Träume meines Vaters mehr als nur nächtliche Hirngespinste sein sollen. Morgen werde ich nach Tosu-Stadt aufbrechen. Am Ende der Woche wird meine Auslese beginnen. Eine Weigerung zu gehen wäre Hochverrat mit allen Konsequenzen. Ich will schreien und meinen Vater anbrüllen, aber ich kann nur dastehen und zittern.
Dad legt seinen Arm um mich und führt mich zurück zur Bank. Ich lehne mich an seine Schulter, wie ich es früher immer tat, als ich noch ein Kind gewesen war. Einen Augenblick lang fühle ich mich geborgen, aber das hält nicht lange an.
»Flint sagt, das Verfahren, mit dem sie unser Gedächtnis löschen, könnte für diese Träume verantwortlich sein. Vielleicht gaukeln uns unsere Gehirne falsche Erinnerungen vor, um jene zu ersetzen, die uns genommen wurden.«
»Aber du glaubst das nicht.«
Er schüttelt den Kopf. »Ich war so dankbar, dass damals, als deine Brüder die Schule beendeten, keiner aus Tosu-Stadt kam, um sie für die Prüfung abzuholen. Gestern habe ich deinen Bruder enttäuscht, als ich ihn nicht öffentlich lobte, wie es ihm zugestanden hätte. Aber die Magistratin hatte gehört, dass ein Abgesandter aus Tosu unterwegs sei. Ich wollte nicht riskieren, dass irgendjemand auf die Idee käme, es gäbe hier vielleicht junge Leute, die man früher hätte auswählen sollen, und dass man die Absolventen vergangener Jahre möglicherweise noch einmal neu bewerten müsste.«
Er zieht mich eng an sich und stützt sein Kinn auf meinen Kopf. Eine Träne tropft auf meine Wange, doch es ist nicht meine eigene. Mein Vater, der immer so stark und klug und selbstsicher gewesen ist, weint.
»Und was jetzt?« Ich winde mich aus seinen Armen und springe wütend auf. Ich nehme es ihm übel, dass er sich während unserer vielen Spaziergänge und Unterhaltungen mir kein einziges Mal anvertraut hat. Nicht ein einziges Mal, wenn ich bis spät in die Nacht hinein arbeitete, um gut in einem Test abzuschneiden, sprach er darüber, was die Konsequenzen sein könnten. »Ich werde morgen aufbrechen. Warum erzählst du mir jetzt davon? Wozu soll das gut sein?«
Während meine eigene Stimme laut und aufgeregt geworden ist, bleibt mein Vater leise. »Vielleicht bringt es nichts. Vielleicht hat Flint recht, und unsere Träume sind nur Hirngespinste. Aber wenn die Möglichkeit besteht, dass das nicht der Fall ist, solltest du lieber Bescheid wissen. Es ist besser, wenn du in Tosu-Stadt darauf gefasst bist, alles, was du siehst, und jeden, den du triffst, zu hinterfragen. Das könnte den Unterschied zwischen Bestehen und Versagen ausmachen.« Er tritt zu mir und legt mir die Hände auf die Schultern. Ich will mich von ihm lösen, aber dann sehe ich wieder die Tränen in seinen Augen, die im Schein der Lampen glänzen. Da bricht jeder Widerstand in mir zusammen.
»Weiß Mom davon?« Normalerweise würde ich davon ausgehen, aber im Moment bin ich mir bei gar nichts mehr sicher.
»Deine Mutter weiß davon, dass mein Gedächtnis gelöscht wurde und dass ich Albträume habe, aber nicht, was in ihnen geschieht.«
Ich lasse mir seine Worte durch den Kopf gehen und suche in ihnen nach der Wahrheit. »Das ist also der Grund, warum Mom nicht wollte, dass ich ausgewählt werde?«
Mein Vater legt mir eine Hand auf die Wange und streichelt sie mit dem Daumen. »Cia, ich habe meine Eltern nicht mehr wiedergesehen, seitdem ich zur Auslese aufgebrochen bin. Es ist eine Ehre, wenn das eigene Kind ausgewählt wird, aber es bedeutet auch einen Verlust. Deine Mutter will dich nicht verlieren.«
Ich weiß nicht, wie lange wir schweigend nebeneinandersitzen. Lange genug, um die Stimmen meiner Brüder bei ihrer Rückkehr zu hören und auch die meiner Mutter, die mit den Jungs schimpft, weil sie Süßigkeiten stibitzen. Es klingt alles so normal.
Als die Tränen auf meinem Gesicht getrocknet sind, nimmt mein Vater meine Hand und kehrt mit mir ins Haus zurück. Wir erwähnen die Träume meines Vaters und meine eigenen neuen Ängste mit keinem Wort, sondern hören zu, wie Hamin die Zwillinge damit aufzieht, dass meine Freundinnen mit ihnen zu flirten versuchen. Mom stellt einen Teller mit kleinen Küchlein und gesüßtem Pfefferminztee auf den Tisch,
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