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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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mir, dass ich keine Schuld an Rymes Tod trage. Wir hätten ja schon vorher darüber gesprochen, wie schwierig es sei, mit der Belastung fertigzuwerden. Einige Prüflinge kämen mit dem Stress besser zurecht als andere. Manche könnten nichts essen. Andere fänden einfach keinen Schlaf. Ryme habe sich das Leben genommen. Das sei zweifellos eine Tragödie, aber für die Gesamtbevölkerung des Commonwealth sei es besser, rechtzeitig zu erfahren, dass sie nicht in der Lage gewesen wäre, die Art von Druck zu ertragen, die auch in Zukunft auf sie gewartet hätte. Dieses Ereignis sei unglücklich, aber die Auslese habe ihren Zweck erfüllt. Er hoffe, dass Rymes Entscheidung, ihre Kandidatur zu beenden, keine Auswirkungen auf meine eigenen Leistungen haben werde.
    Das Ende ihrer Kandidatur? Mir wird eiskalt. Ein purpurgekleideter Offizieller teilt uns mit, dass mein neuer Raum bereit sei, und Dr. Barnes drückt wiederholt meine Schultern. Ich lächele ihn an und behaupte, dass es mir besser gehe und dass es mir sehr geholfen habe, mit ihm zu sprechen. Ich hoffe, er merkt nicht, dass das eine Lüge ist. Denn obwohl sein Tonfall nett gewesen ist, habe ich die Gleichgültigkeit hinter seinen Worten gespürt. Für ihn war das nur ein weiterer Test. Und Ryme ist durchgefallen.
    Wenn ich nicht höllisch aufpasse, werde auch ich versagen.
    Man zeigt mir mein neues Zimmer ganz am Ende des Ganges. Die Wände sind gelb gestrichen. Das erinnert mich an das Kleid, das Ryme trug, als ich sie zum ersten Mal traf. Der Offizielle fragt mich, ob es in Ordnung sei, wenn ich keine Zimmerkameradin hätte. Wenn nicht, dann sei er sich sicher, dass sich eine weibliche Offizielle bereit erklären würde, in dem freien Bett zu übernachten.
    Nein, ich will nicht allein sein. Schon jetzt, wo ich wach bin, habe ich Schwierigkeiten damit, Rymes leblose Augen aus meinem Kopf zu bekommen. Wenn ich schlafe, werde ich mich erst recht nicht dagegen wehren können, von ihnen verfolgt zu werden. Beim Gedanken daran, bei dieser Qual ganz allein im Zimmer zu sein, will ich mich am liebsten zu einem Ball zusammenrollen.
    Aber die Worte von Dr. Barnes klingen noch in meinen Ohren. Bei der Auslese geht es um mehr als nur das, was sich in den Klassenräumen abspielt. Wenn ich darum bitte, dass mir jemand dabei hilft, die Nacht durchzustehen, wird man das als Schwäche auslegen. Anführer sind nicht schwach. In der Auslese suchen sie nach Führungspersönlichkeiten.
    Also danke ich dem Offiziellen und sage zu ihm: »Es ist schon in Ordnung, wenn ich allein bleibe.«
    Er erwidert, dass ich am Tresen bei den Aufzügen Bescheid geben solle, falls ich meine Meinung ändere. Dort könne man mir, wenn nötig, auch ein Schlafmittel geben. Dann schließt er die Tür hinter sich.
    Ich sehe mich im Zimmer um. Abgesehen von der Farbe ist es eine exakte Kopie von dem Raum, den ich vorher bewohnt habe. Gedämpft höre ich Stimmen und den Klang von Schritten draußen auf dem Flur. Andere Kandidaten kehren vom Abendessen in ihre Quartiere zurück. Einen Moment lang bin ich versucht, meine Tür aufzureißen und nach meinen Freunden Ausschau zu halten. Ein Lächeln von Zandri, ein Händedruck von Tomas oder sogar einer der ausgeglichenen Blicke von Malachi würden dabei helfen, die Traurigkeit ein wenig zu lindern. Aber ich mache die Tür nicht auf, denn auch das könnte mir als Schwäche ausgelegt werden. Stattdessen dusche ich, schlüpfe in meinen Schlafanzug, wasche die Kleidung, die ich tagsüber getragen habe, und hänge sie zum Trocknen auf.
    Als ich auf dem Bett liege, starre ich zur Decke hinauf und versuche, glückliche Erinnerungen heraufzubeschwören – irgendetwas, das das Bild von Ryme vertreibt, wie sie vom Deckenlicht herabbaumelt. Ich kann nicht anders, als mich zu fragen, ob mein Vater etwas Ähnliches zu sehen bekommen hat. Vielleicht hat sich sein Gehirn eine noch schrecklichere Erinnerung an die Auslese ausgedacht, um die furchtbare zu überlagern, die ihn immer wieder verfolgte. In diesem Moment erscheint mir das mehr als plausibel.
    Alles ist still. Die anderen haben sich in ihre Betten verkrochen und schlafen, um sich auf das vorzubereiten, was morgen vor ihnen liegt. Ich bin noch immer wach, lasse das Licht brennen und kämpfe gegen meine schwerer werdenden Lider an. Als ich fast verloren habe, fällt mein Blick auf etwas. Ein kleines, rundes, blitzendes Ding an der Decke. Eines, das dem gleicht, welches mir schon im Gleiter aufgefallen war.
    Eine

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