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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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Sterne am Himmel erscheinen. Tomas hat die Arme um meine Schultern gelegt, und ich kann mir beinahe vorstellen, dass wir daheim hinter unserem Haus sitzen und in den Himmel schauen, während meine Familie ganz in der Nähe ist. Gerade will ich Tomas von diesem schönen Bild berichten, als er seine Lippen für einen sanften Kuss auf meinen Mund drückt. Mein Herz schlägt schneller. Es ist schon zu dunkel, um etwas zu sehen, doch ich spüre, dass Tomas mir die Möglichkeit gibt, mich zurückzuziehen. Aber das will ich überhaupt nicht. Ich beuge mich näher zu ihm und merke, wie sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitet, ehe sein Kuss leidenschaftlicher wird.
    Ich lege ihm eine Hand in den Nacken und halte mich ganz fest, während mein Körper wohlig bebt. Obwohl wir in so einer schlimmen Lage stecken, hat sich noch nie in meinem Leben etwas so vollkommen angefühlt.
    Da zerreißt ein Schrei in der Ferne die Nacht. Es ist eine menschliche, eine weibliche Stimme. Der Laut lässt uns auseinanderfahren und bringt uns dazu, sofort zu handeln. Ich höre, wie Tomas sein Messer aus der ledernen Scheide zieht, und taste selbst nach meiner Pistole. Seite an Seite warten wir in der Dunkelheit darauf, dass sich der Schrei wiederholt.
    Aber alles bleibt still.
    Trotzdem finden wir keinen Schlaf.

Kapitel 13
    Im ersten Morgengrauen stehen wir auf, packen unsere Sachen zusammen, verstauen sie auf den behelfsmäßigen Gepäckträgern unserer neuen Fahrräder und radeln langsam los Richtung Südwesten. Die ganze Nacht über hatten wir uns aneinandergeschmiegt, unsere Waffen in unmittelbarer Reichweite, und uns gegenseitig flüsternd versichert, dass der Schrei bestimmt aus weiter Ferne zu uns herübergeweht worden war und wir hier sicher wären vor dem, was die Ursache dafür gewesen war.
    Obwohl Tomas’ Wunde abzuheilen beginnt, merke ich, dass es beschwerlich für ihn ist, eine erträgliche Sitzposition auf dem Sattel zu finden. Da die Reifen keine Gummischläuche haben, mildert nichts die Stöße ab, wenn wir über Steine, Zweige und Schutt rollen. Die Fahrt ist mehr als holprig.
    Je weiter wir uns von Chicago entfernen, desto dichter wachsen die Bäume und Büsche, und es gibt auch immer mehr intakte Häuser. Wir entscheiden uns, nach Süden zu fahren, wo es laut Tomas’ Karte früher eine breite Straße gegeben hat. Selbst eine Fahrbahn, die nicht wieder instand gesetzt worden ist, würde uns leichter vorankommen lassen als das Gelände, durch das wir uns im Moment quälen. Der andere Grund für unseren Entschluss bleibt unausgesprochen. Der Hilferuf in der letzten Nacht schien aus dieser Richtung gekommen zu sein. Wir suchen nach dem Mädchen, dessen Schrei uns die ganze Nacht lang wach gehalten hat. Wenn es verletzt ist, müssen wir ihm helfen. Ich könnte nicht damit leben, es nicht wenigstens versucht zu haben.
    Als ich einen Schwarm Krähen vom Himmel herabstoßen und etwas umkreisen sehe, schnürt es mir die Kehle zu. Wortlos verlassen wir die Straße und radeln über vereinzelte braune Grasflecken, um zu sehen, wovon die Vögel angezogen worden sind. Als wir an der Stelle ankommen, wo sie sich sammeln, geht es nicht mehr um die Frage, ob wir dem Mädchen, das geschrien hat, helfen können oder was wir tun sollen, wenn es sich uns anschließen möchte. Vor uns liegt der reglose Körper eines Mädchens, das nie wieder um irgendetwas bitten wird. Ich bilde mir ein, die junge Frau wiederzuerkennen. Es muss die sein, die vor Malachi lief, als wir den Versammlungsraum am ersten Tag der Auslese verließen. Sie hat langes hellblondes Haar, das jetzt vor Schmutz starrt und voller Blut ist. Die Augen, die vielleicht einmal blau gewesen waren, sind von den Vögeln aus den blutigen Augenhöhlen herausgepickt worden. Und dort, in ihrer Magengegend, sehe ich etwas, das meine Übelkeit und mein Mitleid mit ihr in eisige Angst verwandelt.
    Ein Armbrustbolzen ragt aus ihrem Bauch.
    Ihre Tasche ist leer. Entweder hat sie den Inhalt unterwegs verloren, was ich bezweifle, oder der Armbrustschütze hat ihre Besitztümer mitgenommen, nachdem er sein Opfer zur Strecke gebracht hatte.
    »Wir sollten verschwinden.« Tomas drückt meine Hand. Ich kann nicht aufhören, unsere Auslese-Mitstreiterin anzustarren. »Es dürfte jetzt nicht mehr weit bis zur Straße sein.«
    »Du hast recht. Es wäre besser aufzubrechen. Vielleicht ist der Armbrustschütze noch in der Nähe.« Aber ich kann mich nicht vom Fleck rühren. Ich kann die Tote nicht

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