Die Außenseiter
besuchten, wenn sie ihr Bewusstsein abschalteten.
Wovon Außerirdische wohl träumen?, fragte Cheelo sich. Zum ersten Mal stand er so dicht bei dem Wesen, dass er es berühren könnte. Von nahem war der ambrosische Körperduft sogar noch intensiver. Cheelo beugte sich vor und sah sein Spiegelbild in jeder der vielen Facetten des Thranx, aus denen dessen goldenes Auge bestand. Im blaugrünen Thoraxpanzer pulsierte gleichmäßig eine Reihe kleiner Öffnungen, bei denen es sich offenbar um Atemöffnungen handelte. Die empfindlichen, fedrigen Antennen, die auf dem ansonsten glatten Kopf saßen, waren in sanftem Bogen vorgeneigt.
Cheelo streckte den Arm aus und strich mit den Fingerspitzen über die glänzende rechte Flügeldecke. Der Chitinpanzer fühlte sich hart, glatt und etwas kühl an, wie Kunststoff oder auf Hochglanz poliertes Baumaterial. Er ließ die Hand tiefer gleiten, strich über ein Bein. Cheelo konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er eine Maschine untersuchte und kein Lebewesen. Dieser Eindruck schwand im gleichen Moment, da der Thranx erwachte.
Verwirrt von der unerwarteten Berührung des Menschen, zirpte Desvendapur schrill und trat reflexartig mit allen sechs Beinen aus. Eines davon traf Cheelo am Oberschenkel und stieß ihn zurück. Cheelo taumelte, fing sich jedoch wieder. Der aus dem Schlaf gerissene Dichter krabbelte hektisch von seinem behelfsmäßigen Bett und kippte prompt zur Seite, auf die feuchte, von Blättern bedeckte Erde. Schnell rappelte er sich auf und sah den Menschen über den Baumstamm hinweg an.
»Was machst du da?«
»Bleib locker!«, beruhigte Cheelo seinen außerirdischen Gefährten. »Nichts Schlimmes.«
»Wie kann ich mir da sicher sein? Menschen sind für ihre eigentümlichen Gewohnheiten bekannt.« Während Desvendapur redete, musterte er seine Körperseite. Der Panzer schien unbeschädigt, und alles war am rechten Platz.
Der Mensch schnaubte verächtlich. »Hör mal, es hat mich einige Überwindung gekostet, dich zu berühren.«
»Warum hast du es dann getan?«, schoss Desvendapur anklagend zurück.
»Um sicherzugehen, dass ich es kann. Keine Sorge - ich werd's nicht wieder tun.« Cheelo rieb die Fingerkuppen aneinander, als versuche er, sich Schmutz unter den Fingernägeln zu entfernen. »Du fühlst dich an wie ein altes Möbelstück.«
Der Dichter ging zu seinem Tragesack und überprüfte den Verschluss. Anscheinend hatte der Mensch ihn nicht angerührt, doch konnte er sich dessen erst sicher sein, wenn er den Inhalt überprüft hatte. »Besser als wabbliges Fleisch zu berühren, das unter den Fingern nachgibt.« Seine Antennen erzitterten. »All das weiche Fleisch, das nur von einer dünnen Hautschicht zusammengehalten wird, voller Blut und Muskeln, die nur darauf warten, hervorzuplatzen. Das ist widerlich. Ich kann mir nicht vorstellen, was sich die Natur dabei gedacht hat, als sie die ersten Säugetiere entworfen und dann verkehrt herum zusammengebaut hat, von innen nach außen.«
»Du bist hier derjenige, der verkehrt herum zusammengebaut ist!« Cheelo ging zu seiner Ausrüstung, hockte sich hin und dachte darüber nach, was er frühstücken sollte. »Schließlich trägst du dein Skelett außen.«
»Und als wäre es nicht schon schlimm genug, dass ihr Menschen nur von innen abgestützt werdet«, fuhr Desvendapur fort, »kommt ihr auch noch in verwirrend vielen Farben daher! An eurem Aussehen gibt es nicht die geringste Harmonie, keinerlei Stetigkeit. Unsere Panzerfarbe wird kräftiger, je älter wir werden. Das spiegelt das natürliche Fortschreiten der Zeit wider. Doch eure Farbe ändert sich nur, wenn eure Haut erkrankt, was einige von euch sogar absichtlich herbeiführen. Und sie wird schrumpelig.« Während der Thranx sprach, waren seine Echthände unablässig in Bewegung. Cheelo verstand die eloquenten Armbewegungen des Insekts zwar nicht, konnte sich aber aufgrund von dessen Worten denken, was sie bedeuteten.
»Wegen dieser Makel, die die unvermeidliche Folge defekter Gene sind, habe ich tiefes Mitleid mit euch.«
»Puh, danke!« Während Cheelo sich sein schlichtes Frühstück vorbereitete, fragte er sich, ob das Insekt Sarkasmus erkennen konnte, und kam zu dem Schluss, dass das vermutlich nicht der Fall war. »Nicht dass die Frage jetzt irgendwas zu sagen hätte oder eine Rolle spielt, aber: warum?«
Dieses Mal vollzog der Thranx zugleich mit der rechten Echt- und Fußhand eine Geste. »Eure Haut ist so schrecklich empfindlich, so leicht
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