Die Außenseiter
weisen. In den ihr fremden Koloniesektoren hielt sie von Zeit zu Zeit inne und unterhielt sich mit einigen Thranx, denen sie nie zuvor begegnet war. Niemand fragte sie, was sie in diesem Teil der Kolonie wolle. Zwar war es ungewöhnlich, dass sie ihren eigenen Sektor verlassen hatte, doch war das schließlich nicht verboten.
Sie redete eine Weile mit Müllentsorgern, die die zweite Müllentsorgungsstation leiteten. Beim Bau der Kolonie hatte man jede Einrichtung mindestens zweimal angelegt. Denn falls eine wichtige Abteilung ausfiele, konnte man keine Nachbarstöcke darum bitten, bei der Instandsetzung oder beim Neubau zu helfen. Das nächste Nachschublager war einige Parsecs entfernt, und Nachschubgüter konnten nicht so schnell angeliefert werden, wie man sie vielleicht benötigte. Auch die Menschen, die von dem Stock wussten, waren den Thranx nur eine begrenzte Hilfe, denn aus Gründen der Geheimhaltung und aufgrund ihrer inkompatiblen Technologie konnten sie kaum mit Ersatzteilen dienen. Von daher musste die Kolonie weitgehend dazu imstande sein, sich selbst zu versorgen.
Trotz einiger erfreulicher und lehrreicher Ablenkungen fand Jhywinhuran schließlich das Küchenareal. Von dort aus war es nicht schwer, sich eine Zutrittsgenehmigung zur Abteilung für Nahrungszubereitung zu besorgen. Die Küche sah exakt so aus wie die, in der Desvenbapur bislang gearbeitet hatte, sogar die einzelnen Utensilien und Küchengeräte waren identisch. Soeben putzte und schnitt die Belegschaft einige einheimische Pflanzen, die erst entsprechend zubereitet werden mussten, damit ein Thranx sie verzehren konnte. Hätten die Thranx irdische Pflanzen allerdings überhaupt nicht verdauen können, wäre die Kolonie weit langsamer gediehen.
Jhywinhuran plauderte mit einigen Küchenarbeitern, die sich wunderten, was eine fremde Thranx aus der Müllentsorgung in ihrer Abteilung zu suchen hatte. Nein, ein Hilfszubereiter namens Desvenbapur arbeite momentan nicht in ihrer Schicht. Um genau zu sein, habe niemand je von ihm gehört. Vielleicht arbeite er ausschließlich in der Nachtschicht.
Jhywinhuran wusste, dass sie eigentlich wieder in ihre Kabine zurückkehren müsste, um sich vor Anbruch des nächsten Arbeitstags noch ein wenig auszuruhen.
Wie töricht von ihr, dass sie ihr Interesse für Desvenbapur allmählich in eine gefährliche Fixation ausarten ließ! Hatte Desvenbapur ihr nicht gesagt, dass er sich erst in seinem neuen Sektor und an seinem neuen Arbeitsplatz zurechtzufinden müsse, ehe er wieder soziale Kontakte pflegen könne? Hatte er ihr nicht gesagt, dass er sie besuchen werde, sobald er sich im neuen Sektor eingelebt habe? Er hatte sie ausdrücklich darum gebeten, vorerst von Besuchen abzusehen, bis er sich an seine neue Situation gewöhnt habe und ihre gemeinsamen Treffen wieder genießen könne. Und trotzdem war sie nun hier, hatte sich über seine Bitte hinweggesetzt und wollte ihn gegen seinen Willen sprechen. Was war nur mit ihr los?
Sie verließ die Küche wieder und machte sich auf den Weg in ihren eigenen Sektor. Wenn Desvenbapur ihre Gefühle erwiderte, würde er sich sicher bald bei ihr melden. Es wäre vermutlich kontraproduktiv, ja sogar schädlich für ihre Beziehung, wenn sie sich ihm so energisch aufdrängte. Hatten sie überhaupt eine Beziehung? Jhywinhuran wünschte sich das jedenfalls und hatte den Eindruck, dass Desvenbapur ebenso empfand. Wenn sie ihm nun nachspionierte, würde sie damit vielleicht alles ruinieren.
Was konnte sie tun? Ihr fiel eine Möglichkeit ein, wie sie ihr Bedürfnis wenigstens teilweise befriedigen könnte, ohne ihre Beziehung zu Des zu gefährden. Sie ging zu einem öffentlichen Informationsterminal, schloss ihren Sch'reiber daran an und startete eine Suchanfrage. Ihre Erleichterung war förmlich greifbar, als sie Desvenbapurs Namen auf dem Sektions-Dienstplan der Küche las.
Eigentlich hätte sie nun zufrieden sein müssen. Stattdessen aber wuchs ihr Bedürfnis, ihn zu sehen, noch mehr, was ihre Sorge und Verwirrung umso mehr schürte. Lange Zeit stand sie vor dem Terminal, bis sie schließlich ein höfliches Pfeifen hörte und erkannte, dass hinter ihr zwei andere Kolonisten darauf warteten, das Terminal benutzen zu können. Beunruhigt und nachdenklich ging sie weiter.
Sie beschloss, bis zur Nachtschicht zu warten. Nicht, um mit Desvenbapur zu sprechen, sondern um sich zu vergewissern, dass es ihm gut ging. Das könnte sie auch erfahren, indem sie kurz mit den anderen Thranx
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