Die Außenseiter
andere Wilderer schaute zum Himmel. »Wenn er zu einem außerirdischen Wissenschaftsteam gehört, wieso sollte er dann friedlich mit uns kommen?«
Cheelo atmete tief durch. »Weil er möglichst viel über uns Menschen herausfinden will. Er vertraut mir. Wenn ich ihm sage, dass wir irgendwohin gehen, wo er die Menschheit studieren kann, glaubt er mir aufs Wort. Wenn er kooperiert, bleibt euch eine Menge Ärger erspart. Bis er begreift, was ihr vorhabt, ist er längst verkauft, in eine Kiste gesteckt und verschifft. Dann interessiert's keinen mehr, was er denkt.«
Desvendapur hörte dem Wortwechsel schweigend zu. Offensichtlich erfand sein menschlicher Begleiter diese Geschichte nur, damit die beiden ausgesprochen ungeselligen Gestalten nicht von ihren Waffen Gebrauch machten.
Bislang hatte er anscheinend bewundernswert viel Erfolg mit seiner Taktik. Der Dichter hatte die ganze Zeit über geschwiegen und sich - genau wie Cheelo es den Wilderern erklärt hatte - dem Studium der Menschheit gewidmet; etwas anderes blieb ihm im Moment auch nicht übrig. Er brauchte sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, ob er sich mit seinen Handgesten verraten würde, denn die beiden wenig sozial eingestellten Kerle waren der thranxischen Gestik nicht einmal ansatzweise mächtig. Und an seinem von Natur aus starren Gesicht konnten sie seine wahren Gefühle ebenfalls nicht ablesen.
»Warum bis du so scharf darauf, uns zu helfen, cabron?« Der Wilderer, der Cheelo am nächsten stand, musterte ihn. »Wieso glaubst du, dass wir dich leben lassen, wenn wir die Ameise verkauft haben?«
Cheelo gab sich größte Mühe, objektiv zu wirken. »Ich würde ganz gern so lange wie möglich am Leben bleiben. Und vielleicht ist der Käufer ja daran interessiert, sich mit dem Thranx zu unterhalten. Das würde bedeuten, dass ich Teil des Deals bin.«
»Du würdest dich mit dem Außerirdischen verkaufen lassen?«, fragte der andere Wilderer. Man sah ihm seine Zweifel deutlich an.
»Klar, wieso nicht? Ich werde sowieso von der Polizei gesucht.«
»Ohne Scheiß? Was hast du denn verbrochen, Mann?«
»Hab versehentlich 'nen Touristen bei einem Überfall umgelegt. Dummerweise interessiert sich kein Gericht dafür, ob's ein Versehen war. Ihr seht also, dass ich wahrscheinlich auf mehr Fahndungslisten stehe als ihr Jungs.«
»Und du glaubst, das macht uns in gewisser Weise zu Brüdern oder so?«, fragte der Wilderer, der vor Cheelo stand.
Cheelo sah in kühl an. »Nein. Wenn du das denkst, bist du ziemlich dumm.«
Zum ersten Mal wurde der Gesichtsausdruck des Mannes weich. »Du bist in Ordnung, Mann. Aber mach nur eine falsche Bewegung, und ich blas dir den Kopf weg! Trotzdem: Du bist in Ordnung. Also gut. Erklär dem Thranx, dass wir, hm, Sammler sind, und hier im Reservat bestimmte Arten schießen dürfen, die sich zu stark vermehrt haben. Wir tragen Waffen, um uns vor gefährlichen Raubtieren zu schützen. Sag ihm, dass wir seinen Bildungsdrang gut finden und die Reservat-Ranger nicht leiden können, weil sie uns manchmal bei der Arbeit behindern, und dass wir ihm ein Museum zeigen wollen.« Er schaute zu seinem Kumpanen hinüber und kicherte. »Ein Museum, wo er viel mehr über Menschen lernen kann als hier. Erklär ihm, dass man sich gut um ihn kümmern wird und dass du mitkommst, um den Dolmetscher zu spielen. Sag ihm, dass wir ihn in paar Tagen hierher zurückbringen, damit er sich wieder seinen Kollegen anschließen und ihnen jede Menge tolle Geschichten erzählen kann.« Er machte eine auffordernde Geste mit dem Gewehr. »Sag's ihm!«
Cheelo drehte sich um, starrte in die ausdruckslosen Facettenaugen des Thranx und begann, komplizierte Fingerbewegungen zu machen. Ob das Krabbeltier die List verstand? Er hatte alles mit angehört, aber würde er auch begreifen, dass er schweigen und das Spiel mitspielen musste? Falls nicht, würde mindestens einer von ihnen den Regenwald nicht lebend verlassen, und aller Wahrscheinlichkeit nach wäre das derjenige von ihnen, der die wenigsten Gliedmaßen hatte.
Cheelos Sorge war unbegründet. Desvendapur begriff den Ernst der Lage genau. Er beabsichtigte nicht, etwas zu sagen. Offenbar führte sein menschlicher Gefährte etwas im Schilde, das sie beide von diesen beiden äußerst asozialen Menschen erlösen würde. Wie das funktionieren sollte, konnte Des, unvertraut wie er mit der komplexen Denkweise der Menschen war, sich nicht vorstellen. Bislang hatte er die drei Menschen entzückt beobachtet und
Weitere Kostenlose Bücher