Die Außenseiter
Fesseln schmerzten ihn immer mehr. Dank seines schnellen Verstandes hatte er etwas Zeit gewonnen, doch anders als beim Kauf eines neuen Kommunikators oder 3-D-Geräts hatte er hier keine Garantie, kein Rückgaberecht, falls er unzufrieden war. Die beiden Wilderer dachten nicht allzu weit. Bei jeder Kleinigkeit, die sie erzürnte, würden sie vielleicht die Beherrschung verlieren. Und dann würden sie alle umsichtigen und praktischen Erwägungen in den Wind schlagen, der vom Regenwald die Berge hinaufwehte, und ihm den Kopf zerblasen. Das wusste er so genau, weil er und sie aus dem gleichen Holz geschnitzt waren: Repräsentanten der gleichen menschlichen Subspezies, die in kritischen Situationen einfach handelt, anstatt erst einmal nachzudenken. Maruco und Hapec waren ihm viel zu ähnlich, als dass er sich in ihrer Gesellschaft hätte wohl fühlen können. Und der Teufel, dessen Gesicht er kannte, war er schließlich selbst.
Davon überzeugt, zumindest nicht in unmittelbarer Lebensgefahr zu schweben, richtete er den Blick auf den Thranx. Er wusste nicht, was der Außerirdische dachte, und konnte es auch nicht herausfinden, ohne mit ihm zu sprechen; das wiederum war unmöglich, da die Wilderer dann erfahren hätten, dass der Thranx Terranglo verstand. Cheelo würde sich wohl mit Mutmaßungen zufrieden geben müssen. Wie schätzte der Dichter die Situation wohl ein? Interessierte es ihn überhaupt, was mit ihm geschah? Cheelo selbst scherte sich jedenfalls nicht darum, was mit dem Käfer geschehen würde. Doch im Augenblick lag Cheelos Leben allein in den Händen des vielgliedrigen Außerirdischen - in allen vier Händen.
Wenn der Thranx auch nur einmal unachtsam wäre und ein Wort sagte, würden die Wilderer schnell begreifen, dass sie keinen Übersetzer brauchten. Dann wäre Cheelo vom einen Moment auf den anderen völlig wertlos für sie. Es gab viele tiefe Schluchten östlich des kleinen Fertighauses, in die sie seine Leiche werfen könnten. Im Nebel des Regenwalds würde man seine Überreste niemals finden. Innerlich flehte er den Thranx an, den Mund zu halten. Wenn die Wilderer sie beide verkauften, würden sie zumindest am Leben bleiben. Dann sähen seine Zukunftsaussichten gar nicht mal so schlecht aus. Wer weiß?, dachte er. Mit ein wenig Glück kann ich vielleicht die Käufer dazu überreden, einen kurzen Zwischenstopp in Golfito einzulegen.
Cheelo versuchte, sich selbst aufzumuntern. Solange die Wilderer und das Krabbelvieh nichts Unvernünftiges taten, würde die Sache kein allzu schlimmes Ende nehmen. Cheelo musste sich ja ohnehin verstecken! Dafür war er schließlich eigens in die Wildnis gereist, oder? Gab es einen besseren Ort zum Untertauchen - natürlich, nachdem er das Geschäft mit Ehrenhardt abgeschlossen hätte-, als den Privatzoo eines unvorstellbar reichen Gönners, der sich gerade ein ausgesprochen teures und höchst illegales ›Tier‹ gekauft hatte? Wie schon so oft in seinem verzweifelten Leben versuchte er, allein die Vorteile aus seiner Lage zu ziehen. Selbst das Insekt kooperierte, blieb stumm, während es so tat, als untersuche es jeden Gegenstand im Haus.
Cheelo überschätzte Desvendapur. Der Thranx gaukelte kein Interesse vor. Während die Wilderer ihn ignorierten, nahm er sich die Zeit, jedes einzelne Stück der Menscheneinrichtung gründlich zu inspizieren, wobei er besonders darauf achtete, wie die beiden Menschen ihre vielen Geräte bedienten. Einmal erwischte der Mensch namens Hapec ihn dabei, wie er ihm über die Schulter sah, als Hapec gerade den Kocher bediente. Mit einigen unbeholfenen Gesten bedeutete der Mensch ihm, ein Stück zurückzutreten. Der Dichter ließ ihn in dem Glauben, dass er die Menschensprache nicht verstehe, und tat so, als interpretiere er Hapecs Gesten, ehe er sich gehorsam zurückzog.
Als das Essen fertig war, hatte Cheelo, noch immer nervös und besorgt, sich mit seiner Gefangenschaft abgefunden. Er ließ sich bereitwillig vom lustlosen Hapec füttern und beobachtete ebenso interessiert wie die Wilderer, wie Desvendapur zwischen den ihm angebotenen rehydrierten Früchten und verschiedenen Gemüsesorten auswählte. Als Maruco und Hapec den Eindruck hatten, dass ihre wertvolle Ware zufrieden sei, setzten sie sich an den Tisch und aßen ebenfalls etwas. Während sie ihre Mahlzeit einnahmen, unterhielten sie sich nicht mit Cheelo, sondern rissen nur derbe Witze, plauderten oberflächlich miteinander und diskutierten darüber, wie viel Geld sie wohl
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