Die Außenseiter
er mit seinen Augen sehen, mit den Ohren hören und mit den Antennen riechen, nur atmen konnte er nicht. Er behielt die unnatürliche Haltung so lange bei, wie seine Lungen es ihm gestatteten, dann richtete er sich wieder auf. Wasser perlte von seinem Ektoskelett, als er am anderen Ufer aus dem Wasser stieg. Die Erfahrung war gleichermaßen überwältigend wie amüsant gewesen.
Er führte den völlig überarbeiteten Sch'reiber an seine Mundwerkzeuge und diktierte einen Strom blumiger Verse in das integrierte Mikrophon. Während er dichtend weiterging, trat er in eine sumpfige Pfütze, in der vor kurzem ein Gelege Blutegel aus ihren Eiern geschlüpft waren.
Die Egel schwärmten an seine Beine, saugten sich aber nicht fest, als sie merkten, dass ihre kleinen Zahnplatten sein Ektoskelett nicht durchdringen konnten. Die wenigen Tiere, die sich trotzdem festsaugten, zog Desvendapur ab und warf sie beiseite. Die Egel versuchten, sich an seinen Fingern festzusaugen, fanden aber auf der glatten, harten Oberfläche keinen Halt.
Auf Willow-Wane gab es recht große Raubtiere, und in prähistorischer Zeit waren die primitiven Vorfahren der Thranx auf Hivehom den Klauen von tobenden Colowact oder grimmig buddelnden Bejajek zum Opfer gefallen. Große Fleischfresser machten für gewöhnlich eine Menge Lärm, bevor sie angriffen. Daher war Desvendapur, der sich inzwischen vergleichsweise gut an die Tiere und Geräusche des irdischen Regenwalds gewöhnt zu haben glaubte, höchst überrascht, als er durch eine Gruppe Aaronstabgewächse trat und plötzlich in das runde, aufmerksame Gesicht eines Fleischfressers blickte.
Der Jaguar, gleichermaßen überrascht wie gebannt, hob den Kopf und beschnüffelte den Thranx neugierig. Der Dichter, der den Vierfüßer dank seiner Studien gleich einzuordnen wusste, blieb auf der Stelle stehen. Mit einer Echthand griff er hinter sich und zog das Küchenschneidewerkzeug aus dem Rucksack, das er sich aus der Nahrungszubereitungsabteilung mitgenommen hatte. Dieses Werkzeug war der einzige waffenähnliche Gegenstand, den er sich hatte aneignen können. Nahrungszubereiter hatten keinen Zugriff auf Betäubungspistolen oder Projektilschusswaffen. Nicht dass das eine Rolle gespielt hätte. Selbst wenn er freien Zugriff auf die Lagerräume der Kolonie gehabt hätte, wäre ihm das wohl kaum von Nutzen gewesen, denn dort bewahrte man sicher keine Waffen auf. Selbst die aus der Art geschlagenen Menschen, die den Thranx beim Bau der Kolonie geholfen hatten, würden protestieren, wenn ihre außerirdischen Gäste unkontrolliert fremde Waffen importierten.
Des achtete sorgfältig darauf, den großen Fleischfresser nicht mit plötzlichen Bewegungen zu reizen, als er das Schneidewerkzeug von der Fußhand in die Echthand nahm. Die Fußhand war kräftiger als die Echthand, die wiederum beweglicher und geschickter war. Zudem konnte er die Echthand hoch genug anheben, um sie sich schützend vor das Gesicht zu halten. Thranx und Jaguar starrten einander an, beide vom Anblick ihres völlig fremdartigen Gegenübers verblüfft.
Als die große Katze einen Schritt vortrat, kämpfte der Dichter gegen den Drang an, sich umzudrehen und zu fliehen. Thranx waren nicht gerade für ihre Sprinterqualitäten bekannt, und er bezweifelte keine Sekunde lang, dass das irdische Raubtier ihn mühelos einholen würde.
Der Jaguar näherte sich und senkte den Kopf. Er beschnüffelte den unbekannten Herumtreiber gründlich, wobei er mit den zahlreichen Gliedmaßen begann und sich dann langsam zum Körper hocharbeitete. Der Geruch, den er einsog, war zwar nicht unangenehm, aber mit nichts zu vergleichen, was er kannte. Mit steil aufgerichteten Ohren schnüffelte die Raubkatze am Körper des Thranx entlang.
War dieses eigentümliche Wesen lebendig? War es eine schmackhafte Beute? Mit der dicken rosa Zunge leckte er an Desvendapurs linkem Hinterbein. Sich offenbar unschlüssig über die Beute, setzte der Jaguar den einzigen seiner Sinne ein, mit dem er sich über den Geschmack des Wesens Klarheit verschaffen konnte: Er öffnete das große Maul, packte mit den kräftigen Kiefern das Bein des Dichters, gleich über dem Mittelgelenk, und biss zu.
Desvendapur zuckte vor Schmerz zusammen und stach mit dem Schneidewerkzeug zu. Nicht die aus dem Stich resultierende Wunde bewegte den Jaguar dazu zurückzuspringen, sondern der Lärm, den der Dichter erzeugte, als er reflexartig mit den Flügeldecken auf seinem Rücken stridulierte. Der
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