Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June
sie mit einem giftigen Seitenblick auf June. »Du erwartest deinen Nachhilfelehrer zu Besuch. Ich habe Zukunftsvisionen, die keinerlei Bezug zur Realität aufweisen. Und ernst zu nehmende Verehrer sind nirgends in Sicht.«
»Hör bloà auf, Jane Austen zu lesen. Du hörst dich an wie eine Kreuzung aus Emma und StarTrek.«
April schüttelte ihre hellblonden Haare, dass es fast so aussah wie bei June â nur dass sie das nicht mit einer Absicht verband. »Ja und? Kann dir doch egal sein.«
Ich musste dringend das Thema wechseln, da der Gedanke an Henry mir vor Ãrger das Stanford-typische Dunkelrot ins Gesicht trieb. »Du, sag mal, reise ich eigentlich irgendwann mal nach Paris?«, fragte ich April interessiert.
»Was?«
»Reise. Ich. Nach. Paris?«
»Wovon redest du bitte?«
»Ich hab dir âne simple Frage gestellt. Da du hellseherische Fähigkeiten besitzt, möchte ich wissen, wo ich in fünf oder zehn Jahren sein werde.«
»Du weiÃt doch, dass das so nicht funktioniert«, seufzte April. »Ich kann nicht beliebig Sachen aussuchen, die ich vorhersehen will.«
»Und was ist mit London? Kannst du mich wenigstens in London sehen?«
»Ich seh London, ich seh France«, ertönte Junes Gesang aus dem Badezimmer. »Ich seh Aprils Underpants!«
»Und ich seh, wie jemand an seiner Zahnbürste erstickt!«, rief April zurück, was Junes Gesang sofort verstummen lieÃ.
»So, zurück zum Thema«, erklärte ich. »Hast du nun mit ihm gevögelt oder nicht?«
»Also wirklich, May, das ist einfach nur vulgär.«
Ich grinste sie an. »Also nein.«
»Hör mal, wahrscheinlich hab ich mich da sowieso geirrt.«
Ich lachte. »Ja klar, weil das ja auch nicht das erste Mal wäre. Da wünschst du dir jetzt, dass es wieder nicht stimmt.«
June kam wieder in mein Zimmer und tupfte sich mit einer Puderquaste im Gesicht rum. »So, dein Nachhilfetyp kommt also. Zu uns nach Hause. Heute Abend?«
Ich bedachte sie mit dem allerbösesten meiner Blicke. »Wenn du auch nur versuchst, seine Gedanken zu lesen â¦Â«
Aber June zuckte bloà die Schultern. »Ich hab keinen Einfluss auf die komplizierte Funktionsweise meines auÃergewöhnlichen Gehirns.«
»Warte mal kurz«, unterbrach mich April, als ich June gerade an die Kehle springen wollte. »Oh verdammt, wieso hab ich das denn nicht eher gesehen?«
»Was ist denn nun schon wieder?«, fragte ich und spürte auf einmal eine leichte Ãbelkeit. Immer wenn April irgendwelche Visionen hatte, schienen die nämlich in einer Katastrophe zu enden. Und ich wollte mir gar nicht erst ausmalen, wie die aussehen würde, wenn sie Henry und mich betraf. Vermutlich würden am Ende irgendwem irgendwelche GliedmaÃen fehlen. »Landet einer von uns in der Notaufnahme oder so was?«
»Nee, darum gehtâs gar nicht«, antwortete April, die plötzlich gar nicht mehr gut drauf war. »Heute ist doch Donnerstag. Moms Date steht an.«
Es kam mir vor, als wäre auf einen Schlag sämtliche Luft aus dem Raum gewichen. Doch nach einer Weile kriegte ich mit, dass nur ich gerade mal wieder am Verschwinden war. »Reià dich zusammen, May«, sagte June besorgt. »Mach keinen Mist.«
April hatte ihre panische Miene aufgesetzt und starrte nervös zur Tür. »May«, zischte sie. »Mom ist im Anmarsch! Tauch sofort wieder auf!«
Fünf Sekunden später saà ich seelenruhig neben April auf dem Bett, und neben uns knetete June an ihrer Puderquaste rum. »Oh!«, rief Mom, als sie uns sah. »Was ist denn mit euch los, Mädels? Sieht ja beinahe aus, als hättet ihr mich erwartet.«
»Hallo! Alles prima bei uns«, verkündete April, die jedoch alles andere als prima aussah. Eher wie ein panischer Chihuahua. Neben mir kicherte June, die ich mit dem Ellbogen anstieÃ, um ihr diskret mitzuteilen, dass sie sich einkriegen sollte.
»Also, Mädels«, fing Mom an und lieà sich dann auf dem schwarzen Sitzsack nieder, der in meinem Zimmer in der Ecke stand. »Ich wollte euch das schon früher erzählen. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Aber ich wusste nicht, wie ich es am besten sage â¦Â«
Oh Gott, das war ja Tortur pur. Eine neue Auflage von »Kinder, wir müssen euch was sagen« konnte ich definitiv nicht ertragen. Daher kam ich lieber gleich zur Sache
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