Die Aussortierten (German Edition)
verwertbaren DNA-Spuren gab. Dass ich erfolgreicher war, als die damaligen Erstermittler, lag nicht daran, dass ich als Ermittler besser gewesen wäre. Ich hatte nur durch den zeitlichen Abstand eine andere Perspektive, konnte anders auf die Fälle schauen, als die Kollegen. So konnte ich Ansätze verfolgen, die bisher noch nicht gesehen wurden. Außerdem erlebte ich mehrfach, dass Mitwisser nach Jahren einfach nicht mehr schweigen konnten – und dann entweder bei erneuten Vernehmungen anfingen zu reden, oder im Bekannten- und Freundeskreis Andeutungen machten, die dann irgendwann auch der Polizei zu Gehör kamen. Diese Erfahrungen haben mich gelehrt, dass jeder Fall selbst noch nach Jahrzehnten geklärt werden kann. Das gilt auch für diesen Fall. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir erfolgreich sein werden. Wenn nicht heute, dann morgen.
23. Kapitel
Ein Traum hilft weiter
„1. Fachkommissariat, Bodinsky.“
„Hallo Djallo, ich bin’s.“
„Ach, Morgen Chef. Was gibt’s? Bist du krank?“
„Nee, ich hab keine Lust heute.“
„Na siehste, jetzt wirst du doch noch ein richtiger Beamter.“
„Befürchte ich auch. Pass mal auf. Ich fahr jetzt erstmal nach Dangast und gönn mir einen schönen Spaziergang am Meer. Auf dem Rückweg besorg ich uns was Schönes zu essen. Bereite du mit Tessa mal für, sagen wir 10.30 Uhr alles Sonstige für ein schönes Frühstück vor. Brötchen, Käse, Wurst usw. besorge ich.“
„Sauber, das ist mal ne Idee, die mir gefällt.“
„Ja, und sag Tessa gleich, das ist ein offizieller Arbeitstermin. Du kennst sie ja. Es fällt ihr immer noch ein bisschen schwer, das Phantasieren und Rumspinnen als Arbeit zu begreifen. Sie meint ja immer, wenn man nicht stringent eine Aufgabenliste abarbeitet oder sonst wie in Aktion ist, dann ist das keine Arbeit. Deshalb soll sie mindestens zwei Stunden Zeit einplanen für unser Frühstück. Besser drei. Nur dem entspannten Geist laufen neue Ideen über den Weg.“
„OK. Aber ich muss zu ihrer Ehrenrettung sagen, mir geht das ja auch nicht anders.“
„Damit du das nicht missverstehst: Das habe ich keinesfalls als Kritik oder herablassend gemeint.“
„Is mir schon klar, Chef.“
„Also bis nachher. Ich will endlich ans Meer.“
Wenn es etwas gab, das de Wall von ganzem Herzen liebte und genoß, dann waren es diese kleinen Freiheiten. Sich nicht sklavisch an Bürozeiten halten zu müssen und einfach mal rausfahren zu können, wenn ihm danach war. Und jetzt war ihm danach. Die letzten Wochen waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen, sowohl beruflich wie privat. Erst in den letzten Tagen war ihm richtig klar geworden, dass er sich Tessas Nähe und Zuneigung aus tiefstem Herzen wünschte. Aber eben nicht nur als freundschaftliche Zuneigung, sondern als erotische Liebe zwischen Mann und Frau. Nach dem Abend mit Tessa hatte er in kleinen Etappen ein Gefühl des Ärgers und der Wut auf Tessa in sich aufsteigen bemerkt. Obwohl sein Verstand ihm sagte, dass er es ihr nicht übel nehmen sollte, dass sie ihn abgewiesen hatte, weil ihr Problem mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mit ihm persönlich zu tun hatte, sondern dass sie allgemein ein Problem mit Männern hatte, fühlte er sich enttäuscht, wütend, eifersüchtig. Nur mit Mühe hatte er es geschafft, im Büro all diese Gefühle zu unterdrücken. Jetzt brauchte er einfach Bewegung, Sonne, Luft und Weite, Weite besonders, um sich innerlich von diesem Gefühlswirrwarr zu lösen. Und um sich von dem beruflichen Druck zu befreien. Seine innere Distanz zu seinem Beamtenberuf hatte ihn immer davor bewahrt, sich beruflichen Ärger allzu sehr zu Herzen zu nehmen. Aber auch seine Leidensfähigkeit fand in diesen Wochen ihre Grenzen. Zeitweise hätte nicht viel gefehlt, und er hätte sich krank schreiben lassen. Aber er wollte weder Tauber noch Djallo und Tessa mit den Ermittlungen allein stehen lassen und hatte deshalb durchgehalten, auch wenn ihm manches mal danach war, alles hinzuschmeißen. Als er um 10.50 Uhr sein Büro betrat, fühlte er sich wie neugeboren und hatte wieder Energie. Djallo und Tessa erwarteten ihn bereits in seinem Büro mit einem gedeckten Tisch und hatten sich schon mal Tee eingeschenkt. Nachdem sie es sich gemütlich gemacht und gut gegessen hatten, kam Djallo auf das Zeitungsinterview in der OTZ zu sprechen.
„Man kriegt ja richtig Angst, wenn man liest, wie du ohne mit der Wimper zu
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