Die Auswahl. Cassia und Ky
dass wir füreinander bestimmt sind. Bei ihm ist nichts Merkwürdiges passiert, während er sich meinen Mikrochip angesehen hat. Vielleicht ist alles nur ein Missverständnis.
»Du hast wirklich alle Verhaltensregeln gelesen?«
»Natürlich. Du etwa nicht?«
»Noch nicht.« Ich komme mir dumm dabei vor, das zuzugeben, aber Xander lacht nur wieder.
»Sie sind nicht sehr interessant«, gibt er zu. »Außer einer.«
»Aha«, sage ich abgelenkt.
Während wir die Straße entlanggehen, gesellen sich allmählich andere Schüler zu uns, die, wie wir, zum Spielcenter unterwegs sind. Sie tragen die gleiche Kleidung wie wir, winken und rufen. Aber heute ist es anders als sonst. Manche beobachten. Manche werden beobachtet: Xander und ich.
Sie werfen uns verstohlene Blicke zu, sie schauen uns an und dann schnell wieder weg.
Ich bin das nicht gewohnt. Xander und ich sind normale, gesunde Bürger, ein Teil dieser Gruppe. Keine Außenseiter.
Aber ich fühle mich ausgegrenzt, als würde eine dünne, durchsichtige Wand zwischen uns und den anderen entstehen. Wir können uns zwar sehen, können die Mauer aber nicht überwinden.
»Geht es dir gut?«, fragt Xander.
Zu spät merke ich, dass ich etwas zu seinem Kommentar zu den Richtlinien hätte sagen sollen. Wenn ich mich jetzt nicht bald zusammenreiße, wird er wissen, dass etwas nicht stimmt. Wir kennen uns einfach zu gut.
Xander fasst mich am Ellenbogen, als wir um die Ecke biegen und die Ahorn-Siedlung hinter uns lassen. Ein paar Schritte weiter streicht er mir mit einer Hand über den Arm und verschränkt seine Hand mit meiner. Dann beugt er sich zu mir. »Eine der Verhaltensregeln besagt, dass wir körperliche Zuneigung äußern dürfen, wenn wir wollen.«
Und ob ich das will! Wie sehr ich auch unter Stress stehe, fühlt sich die Berührung seiner Hand ohne etwas Trennendes zwischen uns willkommen und neu an. Ich bin überrascht, wie natürlich sich Xander in der veränderten Situation verhält. Und als wir weitergehen, weiß ich, was für ein Gefühl es ist, das sich auf manchen Gesichtern der Mädchen abzeichnet, die uns anstarren. Es ist Eifersucht, ganz einfach. Ich entspanne mich ein bisschen, weil ich sie verstehen kann. Keine von uns hätte je gedacht, dass sie den attraktiven und sympathischen Xander als Partner haben könnte. Wir wussten immer, dass er mit einem andern Mädchen, aus einer anderen Stadt, aus einer anderen Provinz gepaart werden würde.
Aber das wurde er nicht. Er wurde mit
mir
gepaart.
Ich lasse seine Hand nicht los, während wir zum Spielcenter spazieren. Wenn ich nicht loslasse, ist das vielleicht der Beweis, dass wir wirklich zusammengehören. Dass das andere Gesicht auf dem Bildschirm nichts bedeutet, dass es nur ein kleiner Fehler auf dem Mikrochip war.
Und doch. Das Gesicht, das ich gesehen habe und das nicht Xanders gewesen ist: Ich kenne es auch.
KAPITEL 5
» H ier ist noch etwas frei«, sagt Xander und bleibt an einem Spieltisch in der Mitte des Saales stehen. Offenbar hatten die anderen Jugendlichen im Viertel genau dieselbe Idee für die Freizeitgestaltung am Samstag wie wir, denn das Zentrum ist heillos überfüllt. »Möchtest du mitmachen, Cassia?«
»Nein, danke«, antworte ich. »Ich schau erst mal eine Runde zu.«
»Und was ist mit dir?«, fragt er Em, meine beste Freundin.
»Nein, mach du ruhig«, sagt sie, und wir müssen beide lachen, als er grinst und herumwirbelt, um dem Funktionär, der das Spiel überwacht, seine Scancard zu geben. Xander ist schon immer wild auf Spiele gewesen. Bei der Aussicht, mitzumachen, sprudelt er über vor Energie und freudiger Erwartung. Ich erinnere mich daran, wie wir miteinander spielten, als wir klein waren, wie wir voller Ernst spielten und den anderen nicht gewinnen ließen.
Ich frage mich, wann ich aufgehört habe, die Spiele zu mögen. Es fällt mir schwer, mich daran zu erinnern.
Jetzt setzt sich Xander an den Tisch und sagt etwas, was die anderen zum Lachen bringt. Ich muss lächeln. Es macht wirklich mehr Spaß, ihm zuzusehen, als selbst mitzuspielen. Und dieses Spiel,
Check
, ist eines seiner Lieblingsspiele. Ein Geschicklichkeitsspiel – die mag er am liebsten.
»Und?«, fragt Em so leise, dass das laute Gelächter und Gerede ihre Worte übertönt und nur ich sie hören kann. »Wie ist es denn so, seinen Partner zu kennen?«
Ich habe gewusst, dass sie mich das fragen würde. Ich weiß, dass das etwas ist, was alle wissen wollen. Und ich gebe ihr die einzig mögliche
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