Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
die sterblichen Überreste der Opfer geblieben waren. Sie wagte auch nicht, Simeon zu fragen, warum einige ausgesuchte schwangere Frauen der Gruppe nicht mehr aus dem Haus durften, wenn ihr Zustand sichtbar wurde. Erst viel später erkannte sie des Teufels Treiben. Die Geburten wurden nicht gemeldet, die Kinder gehörten Satan.
Es war wieder Cara, die eines Nachts nach den Opferungen das Motorgeräusch vernahm und den Jeep davonfahren sah.
Einige Tage nach der Zeremonie wurde Nora gezwungen, sich mit weiteren Mitgliedern zum ersten Ekeltraining einzufinden. Eine Neueinführung zu dieser Zeit, einer Zeit, die auch für die eingeschworenen Mitglieder härter und fordernder wurde.
Nun warteten wieder Menschen in dem Kellerraum neben der heiligen Stätte der Satanshuldigung auf ihren Opfertod.
„Dann pack sie mal warm ein.“ Mit den Worten überließ Simeon ihr das Kind. Nora war froh, als er eilig die Treppen hinauf auf seine Matratze eilte. Sein Wunsch, hinter der schwarzen Tür zu leben, hatte sich noch nicht erfüllt. Der Herrscher Viktor zerfiel zwar fortlaufend durch Drogen- und Alkoholkonsum, was ihn erst kürzlich veranlasst hatte, die Geschäftsführung der Fabrik auf Simeon zu übertragen. Dennoch verwehrte er seinem Sohn trotz der Stellung ein eigenes Wohnreich im Haus. Täglich, seitdem Viktor nun nicht mehr die Fabrik aufsuchte, wurde es unter dem Gnadenlosen, wie seine Untertanen ihn mittlerweile heimlich nannten, aufzehrender. Viktors Führung des satanischen Ordens war geprägt durch eine autoritäre und totalitäre hierarchische Ordnung, und manche seiner getreuen Diener wünschten sich bald seinen Sohn als Nachfolger.
Nora hörte seine Schritte auf der Treppe verhallen. Gleich würde er schlafen. Sie wartete noch einen Moment, hielt Cara in der Decke umschlungen und säuselte „schschsch“. Als Nora sich sicher fühlte, trug sie Cara die Treppe hinauf in den Raum der Kinder, die hier nebeneinander auf den Matratzen schliefen. Einige unruhig und zuckend, heimgesucht von Träumen, die ihnen ihre Tagerlebnisse widerspiegelten. Vorsichtig setzte sie Cara ab, zog sie aus und begann, sie hin und her zu wiegen. Das Wiegen beruhigte auch Nora selbst. Wenn sie das Gefühl bekam, sie beide seien an dem gleichen Punkt der Ruhe angekommen, begann Nora, Caras geröteten Körper einzucremen. Das Kind dämmerte vor sich hin. Unter den massierenden Bewegungen schloss auch Nora die Augen. Sie fühlte ihr Herz wie Blei in der Brust, als ihre Gedanken unweigerlich zu der Stunde glitten, in der sie diese Szene betreten hatte. Mein Gott sie hatte Ärztin werden wollen und wo war sie gelandet? Eine Wut auf ihre Mutter überfiel sie. Mutter hatte sie nicht einmal vermisst gemeldet. Nie war eine Suchanzeige in irgendeiner Zeitung erschienen und auch bei der Polizei hatte es zu keiner Zeit einen Aushang gegeben. Nora hatte sich persönlich mehrmals davon überzeugt und sich dann resignierend in die Kommune eingefügt. Sicher, sie liebte Simeon, diesen dunklen Dämon, seine animalische sinnliche Lebenskraft, die er in einem ausgeprägten Selbstbewusstsein demonstrierte, einem Bewusstsein, dem sie schon bald gehorchen lernte. Nur, wenn es um Cara ging, blieb Nora unerschütterlich, aber auch hier, so spürte sie, bröckelte allmählich ihre Kraft, wurde sukzessiv abgetragen durch Demütigungen. „Satanisten machen sich das Weib untertan“, erhielt sie von Simeon zur Antwort, wenn sie ihn auf die Behandlung der Frauen im Kult ansprach. Als sie sich das erste Mal beschwert hatte, bekam sie die Nadel gesetzt. „Das beruhigt dich, Nora, mein kleines Weib“, hatte Simeon im SingSangTon erklärt, den er immer anwandte, wenn er jemanden einlullen wollte.
Cara wimmerte leise unter der Massage. Nora brach ab. Die Kleine begann nun, heftig am Daumen zu saugen. Liebevoll deckte Nora sie zu. Sanft strich sie über die schwarzen Krauslöckchen ihrer Tochter. Schaudernd dachte sie an den Moment, wo der Herr und Meister Viktor Vronhoff nach Cara getrachtet hatte, kaum dass sie geboren war. Das getrunkene Blut eines Babys, hatte ihr Simeon erklärt, enthielt die größte Lebensenergie, welche durch Gemurmel der Zitate aus der „Satanic-Bible“ magisch nutzbar gemacht wird. Nora sah ihr Baby wieder auf dem Opfertisch liegen, um sie herum die sieben Priester in ihren unheimlich wirkenden schwarzen Kutten. Einer von ihnen hielt dem schreienden Kind das Messer an die Kehle, schnitt und Blut floss heraus. Obwohl sie
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