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Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)

Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bärenkralle: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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müssen.«
    Nina warf ihm einen erstaunten Blick zu.
    »Wieso … warst du etwa auch schon mal dort?«
    Er schaute sie durchdringend an, während seine Augen einen schwer zu deutenden Ausdruck annahmen. Dann lehnte er sich lächelnd gegen ihren Schreibtisch.
    »Oswald ist mein Bruder«, sagte er.

62
    N ina hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Sie scrollte sich durch ihren Bericht über Reinkollen und vertiefte sich in die Protokolle der Vernehmungen von Miriam Gaizauskas. Arve war in seinem Büro verschwunden, von den anderen Kollegen war noch niemand aufgetaucht. Während sie zerstreut den Text betrachtete, hörte sie immer noch ihre eigene Stimme, die den mongoloiden Oswald imitiert hatte. Sie biss sich auf die Unterlippe. Schon lange war sie sich nicht mehr so dumm vorgekommen. Mehrmals hatte sie sich bei Arve entschuldigt, aber der hatte ihren Fauxpas lächelnd abgetan. Er hatte ihr versichert, dass er es nicht persönlich nehme und schon viel schlimmere Dinge gehört und erlebt habe. Sie habe ja nicht wissen können, dass er Oswalds Bruder sei.
    »Bist du sicher, dass du mir nicht böse bist?«, hatte sie gefragt. Bevor er aus dem Zimmer gegangen war, hatte er ihr über die Haare gestrichen. Eine sanfte, zarte Berührung, vielleicht eine Art Trost.
    Bevor sie näher darüber nachdenken konnte, klingelte das Telefon. Es war die Zentrale.
    »Ich habe einen Mann in der Leitung, der Sie sprechen möchte. Er sagt, er sei katholischer Priester hier in Oslo.«
    Miriam!, schoss es Nina durch den Kopf. Ohne weitere Fragen zu stellen, bat sie, den Mann zu ihr durchzustellen. Der Anrufer stellte sich als Pater Raymond Uglestad vom Dominikanerorden vor.
    »Geht es um Miriam Gaizauskas?«, fragte sie unvermittelt.
    »Ja«, antwortete der Pater. »Sie hat Ihren Namen erwähnt, als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben.«
    Seine Stimme klang hell und nasal. Sie sah in Gedanken einen korpulenten älteren Mann vor sich, einen Mönch mit brauner Kutte.
    »Ich rufe Sie an, weil ich mir Sorgen mache. Ich habe Angst, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte …«
    Zwei Minuten später klopfte Nina an Arves Bürotür. Sie war froh darüber, mit ihm über den Anruf sprechen zu können. Das ließ die Peinlichkeit von vorhin ein wenig oder vielleicht sogar völlig in Vergessenheit geraten.
    »Ich habe gerade einen Anruf bekommen. Es geht um Miriam …«
    Sie erklärte ihm die Situation.
    »Dem müssen wir unbedingt nachgehen«, entschied Arve. »Ich habe auch gerade versucht, sie zu erreichen, doch sie meldet sich nicht.«

    Die Tür zu ihrer Wohnung war angelehnt. Am Türknauf hing ein Blumenstrauß. Nina öffnete die Karte, die daran befestigt war. »Wenn dies vorbei ist …«, las sie. Arve musste den Kopf ganz dicht neben ihren halten, um die Schrift entziffern zu können.
    »Das gefällt mir nicht«, murmelte sie und schob mit der Fußspitze die Tür auf. »Frau Gaizauskas?«
    Arve stand direkt hinter ihr.
    »Wir sollten uns absichern, Nina!«
    »Dazu ist keine Zeit.«
    Sie wollte ihm zeigen, wie entschlossen sie war.
    »Und was soll schon passieren? Glaubst du etwa, da ist ein wilder Bär in der Wohnung?«
    Er lachte.
    »Du bist ja eine richtige Draufgängerin«, meinte er.
    Nina warf einen Blick ins Wohnzimmer. Auf den ersten Blick sah es unverändert aus. Ein paar Pepsi-Flaschen standen auf dem Tisch, daneben ein Stapel mit Büchern. Das Bett in der Schlafnische war gemacht, doch die Decke sah unordentlich aus.
    »Frau Gaizauskas?«, rief sie erneut und ging in Richtung Küche.
    Auch dort war niemand.
    Neben der Spüle stapelte sich der Abwasch. Auf dem Tisch stand ein Teller. Daneben lagen ein geöffneter Umschlag und ein paar Fotos. Sie nahm eines in die Hand. Es zeigte Miriam. Sie sah, dass die Hälfte des Bildes abgeschnitten war, und drehte es um. »Bei der Vierten wird es geschehen«, las sie.

    Viken trommelte auf die Tischkante. Er hatte sich rasiert und roch nach einem anderen Aftershave als sonst. Das frisch gebügelte weiße Hemd war weit geöffnet. Nina wusste, dass Finckenhagen und Frøen sich beim Polizeidirektor dafür rechtfertigen mussten, dass man die Anklage gegen Glenne fallengelassen hatte. Aber das gehörte eben zu ihrer Position.
    Der Polizeidirektor konnte es nicht ausstehen, wenn Vorgesetzte versuchten, die eigene Verantwortung ihren Mitarbeitern in die Schuhe zu schieben. Zwar hatte Finckenhagen daraufhin Viken in ihr Büro zitiert, doch schien sie ihm nicht den Kopf gewaschen zu haben.

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