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Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)

Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bärenkralle: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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weiter unter ihren Schreibtisch. Arve kam stets früh zur Arbeit. Notfalls hätte sie sogar eingeräumt, dass sie, die ein ausgesprochener Morgenmuffel war, mehr als nur einen Grund gehabt haben könnte, heute als Erste im Büro zu sein.
    Da sein Büro am Ende des Flurs lag, musste er zwangsläufig bei ihr vorbeikommen. Ihre Tür war angelehnt, doch um ganz sicher zu sein, dass sie seine Aufmerksamkeit erregte, trat sie in diesem Moment gegen ihren Papierkorb und stieß einen lauten Fluch aus. Die Schritte draußen hielten inne. Es klopfte an ihrer Tür. Sie drehte sich mit ihrem Stuhl herum.
    »Hallo Nina, alles in Ordnung?«
    »Ach, ich … äh … bin nur gestolpert.«
    Wie sie über etwas hatte stolpern können, während sie auf ihrem Schreibtischstuhl saß, blieb ihr Geheimnis.
    »War schön gestern«, sagte er lächelnd und in einem Tonfall, der sie erröten ließ. Als er es bemerkte, fügte er hinzu:
    »Also ich fand es jedenfalls schön.«
    »Ich auch«, brachte sie mühsam über die Lippen.
    Dann nahm sie sich zusammen und zeigte auf seine Hand.
    »Hast du dich geschnitten?«
    Er drehte sie um und bemerkte, dass sie die Außenseite seines Handgelenks meinte.
    »Ach, verdammt, ich dachte, ich hätte alles weggekriegt. Musste heute Morgen was an meinem Auto reparieren.«
    Er zwinkerte ihr zu.
    »Keine Sorge, ich werd’s überleben.«
    Er sah blasser aus als sonst, hatte dunkle Ringe unter den Augen.
    »Hast du schlecht geschlafen?«, fragte sie mitfühlend.
    »Das kann man wohl sagen. Mein Handy hat mich wach gehalten.«
    »Warum das denn?«
    Er strich sich über sein unrasiertes Kinn. Sie bemerkte, dass seine Bartstoppeln viel dunkler waren als seine Haare.
    »Dieser Glenne ging mir ständig auf die Nerven.«
    Nina wurde neugierig.
    »Was wollte er denn von dir?«
    »Schwer zu sagen. Er faselte etwas von dieser Medizinstudentin und von irgendwelchen Briefen, die sie bekommen hatte. Ich frage mich, welches Spiel der mit uns treibt. Ich musste ihm schließlich weismachen, dass wir mit einem Riesensonderkommando ausrücken. Den Rest erzähle ich nachher bei der Morgenbesprechung.«
    Geh nicht!, dachte sie, und das schien zu helfen, denn er trat einen Schritt auf sie zu.
    »Was machst du eigentlich so früh schon im Büro? Das bin ich von dir ja gar nicht gewohnt.«
    Er warf einen Blick auf ihren Bildschirm.
    »Gemeinde Åsnes? Du hast mir noch gar nicht von deinem Abstecher dorthin erzählt.«
    Sie schlug die Beine übereinander. Auch heute trug sie eine enganliegende Bluse. Sie spürte, wie sein Blick über ihre Brüste glitt.
    »Verdammt viele Bäume«, entgegnete sie seufzend. »Für eine eingefleischte Städterin wie mich eine ziemliche Herausforderung, wie du dir denken kannst. Du kommst doch schließlich auch aus dieser Gegend.«
    Er lächelte wohlwollend. Vielleicht würde er sich gleich auf ihre Tischplatte setzen, nah genug für sie, um seinen Oberschenkel zu berühren.
    »Zwei Expeditionen innerhalb von zwei Wochen«, fuhr sie lebhaft fort, während sie ein paar Unterlagen wegräumte. »Viken und ich haben uns völlig verfahren. Schließlich standen wir vor einem heruntergelassenen Schlagbaum und kamen nicht mehr weiter. Ziemlich unheimliches Gefühl, kann ich dir sagen, allein mit Viken mitten im Wald festzusitzen. Ich kam mir vor wie Rotkäppchen auf dem Weg zur Großmutter. Aber das ist noch gar nichts gegen meinen ersten Ausflug dorthin. Da kam ich plötzlich an einen Ort namens Reinvollen …«
    »Reinkollen.«
    »Stimmt. Da war so ein Heim für Schwerbehinderte. Ich kam mir vor wie unter Aliens …«
    Sie war ein wenig verunsichert, weil er nichts erwiderte, und so begann sie, ihre Erlebnisse in allen Details zu schildern. Sie beschrieb die alten Schachteln, die dort arbeiteten, sowie das sonderbare eingetrocknete Wesen im Rollstuhl, eine mumiengleiche Gestalt undefinierbaren Alters …
    Arve schien sich über ihre Ausdrucksweise zu amüsieren, denn er lächelte ein paarmal.
    »Und plötzlich zuckte ich zusammen, als ein mongoloider Koloss im Türrahmen erschien. Er stellte sich mitten ins Zimmer und schlug sich mit beiden Fäusten an die Brust.«
    Sie machte ihn nach und brüllte mit tiefer Stimme:
    »Oswald Bären fangen! Oswald Bären fangen! Aber die alten Damen sind gar nicht darauf eingegangen, haben sich einfach mit ihm aufs Sofa gesetzt und ihm die Schulter getätschelt, und da hat er sich wieder beruhigt.«
    Arve Norbakk nickte.
    »Ja, sie wissen, wie sie mit ihm umgehen

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