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Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)

Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bärenkralle: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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Schmerz in deinem Leben zu überdecken, Miriam?«
    Sie sah aus, als würde sie über die Frage nachdenken, ohne eine Antwort zu finden. Er wusste von dem Schmerz, der sie seit ihrer Kindheit begleitete. Trotzdem näherte er sich der Grenze dessen, was er verstehen konnte. Wieder einmal ging ihm durch den Kopf, dass er sich mit Menschen im Allgemeinen besser auskannte als mit Mann und Frau.
    »Ich weiß einiges über deine Vergangenheit, Miriam. Du solltest die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass ich dir auch diesmal helfen könnte.«
    Auf die Frage, mit der sie kämpfte, gab es eine eindeutige Antwort. Sie wusste, was sie tun sollte. Deshalb war sie nicht zu ihm gekommen. Er meinte, in ihrer Problematik etwas von dem zu erkennen, womit er selbst gekämpft hatte. Dennoch schien sie besser gerüstet, der Welt zu begegnen, als er es gewesen war. Sie war stärker und eher imstande, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Oder beurteilte er sie falsch? War die Tatsache, dass sie sich so eng an andere Menschen band und diese so eng an sich, ausschließlich etwas Positives? Er glaubte, ein klares Bild von ihr zu haben. Doch auch sie war von Licht und Schatten umgeben. Vielleicht waren die Schatten länger, als er ahnte. Vielleicht verbargen sie etwas, das er gar nicht wissen wollte. Er hatte Menschen kennengelernt, deren Kummer so übermächtig war, dass sie davon beherrscht wurden wie von ihren Leidenschaften. Hatte erfahren, wie andere, vielleicht unwillentlich, zu Geiseln dieses Leids gemacht wurden.
    Sie musste ihm versprechen wiederzukommen. Mehr konnte er nicht tun. Er spürte jetzt deutlich, dass sie Angst hatte. Ich will ihr keinesfalls das Gefühl geben, dass ich sie verurteile, dachte er, als er sie aus dem Raum führte.
    Während er am Altar stehen blieb und beobachtete, wie sie den Mittelgang hinunterschritt, fiel ihm ein, was er gestern von ihr geträumt hatte. Hastig drehte er sich um und ging in die Sakristei.

14
    Dienstag, 2. Oktober
    A xel blieb über Mittag in seiner Praxis und wollte ein paar Schreibarbeiten erledigen, die keinen Aufschub duldeten. Nachdenklich saß er da, vor sich der unbearbeitete Stapel mit Unterlagen, sein Lunchpaket hatte er nicht angerührt. Miriam war krank. Das hatte sie jedenfalls Rita am Telefon gesagt. Zunächst war er erleichtert. Es war nicht das erste Mal, dass eine Praktikantin auch ein persönliches Interesse an ihm zeigte. In der Regel störte ihn das nicht weiter. Das eine oder andere Mal war er vielleicht auch so unvorsichtig gewesen, sie zu ermuntern, doch nie zuvor hatte er sich auf irgendetwas eingelassen … Miriam würde diese Woche gar nicht mehr kommen. In ihm wuchs der Drang, sie anzurufen. Er hatte das Handy schon in der Hand und legte es dann jedoch wieder weg. Er hätte sie nicht berühren dürfen. Aber er würde es wieder tun.
    In der Mittagspause erledigte er nur eine einzige Abrechnung. Später allerdings, als er mit dem letzten Patienten fertig war, stellte er den Anrufbeantworter an und widmete sich dem Rest seiner Unterlagen. In den letzten vier Tagen waren verschiedene Laborergebnisse eingetroffen. Er notierte sich alle, die auffällig waren. Vermutlich handelte es sich um Lappalien und zufällige Abweichungen, möglicherweise waren auch einige ernstzunehmende Befunde dabei. Ein Ergebnis jedoch behielt er nachdenklich in der Hand. Die Biopsie, die man bei Cecilie Davidsen vorgenommen hatte, weil sie einen Knoten in ihrer Brust gespürt hatte.
    »Invasiv duktales Karzinom Stadium III. Multiple Mitosen, stark atypisch und Drüsenmetastase.« Die Patientin war erst vor wenigen Tagen bei ihm gewesen. Er hatte sofort gewusst, dass es sich um eine bösartige Geschwulst handelte, und dafür gesorgt, dass sie unverzüglich einen Termin für eine Mammographie bekam. Es half, wenn man zu den richtigen Leuten einen guten Draht hatte und sich über seinen Ruf als Allgemeinmediziner nicht beklagen konnte.
    Er griff zum Hörer und wählte ihre Nummer. Es meldete sich eine Kinderstimme.
    »Ist deine Mama zu Hause?«, fragte er.
    »Wer sind Sie?«
    »Ich … äh … habe eine Nachricht für sie.«
    Das Kind rief nach seiner Mutter. Er hörte, dass es ein Mädchen in Marlens Alter war. Er legte auf.

    Im Taxi stand ihm erneut Miriams Bild vor Augen. Auf der Wange, unterhalb des Ohres, hatte sie ein kleines Muttermal. Und auf derselben Seite am Hals ein weiteres, das sehr ähnlich aussah. Wenn sie konzentriert zuhörte, hoben sich ihre Augenbrauen manchmal und

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