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Die Ballade der Lila K

Die Ballade der Lila K

Titel: Die Ballade der Lila K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blandine Le Callet
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sich aller verworfenen Gestalten annimmt, der sie beschützt, behandelt und ausbildet. Der ihnen Hoffnung und ein Leben schenkt. Jedenfalls eine gewisse Art von Leben.
    Die Stiftung hat ihren Sitz im hintersten Zonenbereich, im 25 . Bezirk, anders gesagt, am Arsch der Welt – Dreck, Drogen und brutale Überfälle an jeder Straßenecke. Die Razzien und Streifengänge bewirken da nicht viel, das wissen Sie besser als ich. Das hat Lucienne allerdings nicht abgeschreckt. Offenbar war sie weniger zart besaitet, als es den Anschein hatte. Oder sie war in dieser schrecklichen Lage über sich hinausgewachsen und handelte mit dem Mut der Verzweiflung.
    Um Lucienne zu suchen, hat Fernand unbezahlten Urlaub genommen. Dann organisierte er seine Reise in die Zone. Kein leichtes Unterfangen. Es war das erste Mal, dass er die Grenze überschritt. Und das ist immer ein Schock, egal, wie gut man sich wappnet. Aber er hatte keine Angst. Er war zu allem bereit, um seine Frau wiederzufinden.
    Als er im Sitz der Stiftung vorstellig wurde – ein prachtvoller Neubau, von einer hohen Mauer umschlossen, inmitten von Ruinen und Brachen –, stritten die Mitarbeiter zunächst ab, dass Lucienne sich dort befand: Das muss ein Irrtum sein, eine Person dieses Namens ist uns nicht bekannt. Natürlich hat Fernand ihnen nicht geglaubt. Sie sagten: Hören Sie , Monsieur, wir sind nicht verpflichtet, die Identität unserer Insassen preiszugeben. Dann fing er an zu brüllen: Sie lügen, ich weiß ganz bestimmt, dass sie da ist, Sie werden mir jetzt meine Frau zurückgeben, Sie Dreckskerle, und zwar auf der Stelle. Sie haben ihn vor die Tür gesetzt.
    Als Fernand am nächsten Morgen wiederkam, wurde er mit Waffengewalt abgewiesen. Man wollte tunlichst vermeiden, dass er ein weiteres Mal Krach schlug. Er versuchte, sich zu wehren, aber sie drohten damit, die Polizei zu rufen, falls er nicht endlich Ruhe gebe. Mit potentiellen Amokläufern kannten sie sich aus. Davon gab es in diesem Viertel eine Menge. Sie wussten genau, wie man sie loswird.
    Den ganzen Tag schlich Fernand um das Gebäude herum. Am Abend kehrte er in das möblierte Kämmerchen zurück, das er in einem heruntergekommenen Hotel angemietet hatte, von dem nur die ersten drei Stockwerke erhalten waren. Er konnte sich nicht entschließen, nach Hause zu fahren. Das wäre einer Niederlage gleichgekommen.
    Am nächsten Tag ging er wieder zur Stiftung, am übernächsten auch, und immer so weiter, jeden Tag, mehrere Wochen lang. Die Mitarbeiter griff er nicht mehr an. Er versuchte nicht einmal, die Gittertore zu überwinden. Er setzte sich einfach auf den Vorplatz, ein paar Meter vom Haupteingang entfernt. Und dann wartete er.
    Natürlich hat er sich einigen Ärger eingefangen, angesichts der vielen Banden, die in dieser Ecke herumlungerten, ausgehungerte Typen mit fiebrigen Blicken und schadhaften Zähnen. Er ließ sich einfach ausrauben, ohne Widerstand zu leisten, wie es in allen Reiseführern empfohlen wird – wenn man sich wehrt, werden sie nämlich aggressiv. In Fernands Fall handelte es sich jedoch nicht um Vorsicht. Es war ihm schlicht egal. Ob Uhr, Windjacke, Kreditkarte, ja sogar die Schuhe, er hat ihnen alles überlassen. All das war ihm nicht wichtig. Für ihn zählte nur eins: sie zu sehen. Sie von hier wegzuholen.
    Eines Tages trat eine Frau durch das Portal, stieg die Außentreppe hinab und kam auf ihn zu. Ihr Gesicht war ernst und ruhig. Er hätte sie fast nicht erkannt. Lucienne, schöner denn je. Im sechsten Monat schwanger.
    Sie sagte zu ihm: Lass uns hineingehen, aber erst musst du mir versprechen, keine Szene zu machen, Fernand. Er versprach es und folgte ihr stumm. Ihm fehlten die Worte, um seine Bewegtheit auszudrücken.
    Sie bat ihn in einen verschwiegenen kleinen Salon, der von der Eingangshalle abging. Zunächst traute er sich gar nicht hinein – wegen des staubigen Bauschutts war er ziemlich dreckig geworden. Er hatte Angst, die feinen Polster zu beschmutzen. Mit einer Geste gab sie ihm zu verstehen, dass er sich darum nicht zu kümmern brauchte. Sie schien sich hier wie zu Hause zu fühlen.
    Er betrachtete sie eine Weile. Sie mied seinen Blick. Schließlich sagte er:
    »Du warst tatsächlich die ganze Zeit hier? Ich habe mich also nicht geirrt.«
    »Ja, ich war hier.«
    »Warum hast du mir kein Lebenszeichen gegeben?«
    »Ich wollte nicht mit dir sprechen, Fernand. Ich hatte nicht die Kraft.«
    »Und warum sprichst du jetzt mit mir?«
    »Weil … weil ich dich seit

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