Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ballade der Lila K

Die Ballade der Lila K

Titel: Die Ballade der Lila K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blandine Le Callet
Vom Netzwerk:
zwei. Das hängt von den Weisungen des Ministeriums ab. Kommen Sie damit klar?«
    »Warum fragen Sie?«
    »Nun ja … Ich dachte an Ihre Mündigsprechung … Die ist doch bald, nicht wahr?«
    »Ja, bis dahin sind es nur noch drei Wochen. Am 19. Oktober. Da werde ich zwanzig.«
    Sie nickten nachdenklich.
    »Ich habe Ihnen etwas mitgebracht. Hier«, murmelten Sie und reichten mir ein in graues Leinen eingeschlagenes Päckchen. »Hoffentlich gefällt es Ihnen.«
    Im Päckchen befand sich ein bunter Seidenschal. Die Motive waren genau die gleichen wie auf dem Schal von Monsieur Kauffmann.
    »Das ist ja unglaublich! Wie haben Sie das geschafft?«
    »Ich habe lange danach gesucht. Sehr lange, um ehrlich zu sein. Es lohnt sich aber immer, Zeit zu investieren.«
    Sie ließen Ihre Finger über den Schal gleiten.
    »Natürlich wird er den anderen niemals ersetzen, aber Sie können ihn vielleicht ganz gut gebrauchen, wenn es wieder frostig wird.«
    Ich war sprachlos vor Rührung, auch ein wenig verlegen, weil es keine Kleinigkeit ist, ein Geschenk anzunehmen. Irgendwann krächzte ich ein Danke hervor, das Sie zum Lächeln brachte.
    »Könnten Sie ihn kurz anlegen, damit ich sehe, wie er Ihnen steht?«
    Ich habe mir den Schal um den Hals gebunden und dann tief in meinen hohen Kragen gesteckt. Wieder lächelten Sie.
    »Wollen Sie ihn nicht zeigen?«
    »So habe ich auch den alten Schal immer getragen, darum …«
    »Kein Problem; Sie können damit machen, was Ihnen beliebt.«
    Sie sind aufgestanden.
    »Ich muss jetzt gehen.«
    »Ich möchte Ihnen noch einmal danken, Monsieur.«
    »Bitte: Nennen Sie mich doch Milo.«
    »Gut. Danke, Milo. Und gutes Gelingen!«
    »Das wünsche ich Ihnen auch«, haben Sie in einem sehr merkwürdigen Ton geantwortet.
    Am übernächsten Tag sind Sie abgereist. Ich wusste zwar bereits, dass Sie mir fehlen würden, doch in gewisser Weise war ich auch erleichtert. Das waren die letzten Wochen vor meiner großen Reise, da musste ich mich voll und ganz auf mein Ziel konzentrieren. Außerdem blieb es mir auf diese Weise erspart, Sie zu belügen.
    Am 19. Oktober sprach die Kommission mich offiziell mündig. In den vergangenen zwei Jahren hätte ich konstant Ausgeglichenheit und guten Willen an den Tag gelegt. Zwar müsste ich noch enorme Sozialisierungsanstrengungen unternehmen, es sei aber allen aufgefallen, dass ich mich unermüdlich unter Menschen begeben hatte, auf der Straße wie in öffentlichen Verkehrsmitteln. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatten Sie vor Ihrer Abreise noch einen Bericht verfasst, der meine Arbeit in der Bibliothek in den höchsten Tönen pries. Meine Mündigsprechung erfolgte einstimmig, und mir wurde von allen Seiten gratuliert. Endlich war ich von der Vormundschaft der Engstirner befreit.
    Um das gebührend zu feiern, lud mich Fernand in ein schickes Restaurant ein. Ich war die perfekte Tischdame, heiter und gesprächig, probierte von allen Gerichten und achtete darauf, Ihren Namen kein einziges Mal fallenzulassen, um die Stimmung nicht zu verderben. Aber ich trug Ihren Schal unter meinem langen weiten Kleid.
    Als wir fertig gegessen hatten, sagte Fernand:
    »Jetzt bin ich nicht mehr dein Tutor. Wir können eine ganz normale Beziehung pflegen. Ich meine … wie Freunde, verstehst du?«
    »Ja, von mir aus gern«, antwortete ich.
    Eine ganz normale Beziehung. Das wäre doch mal eine nette Abwechslung.
    Als wir unsere Mäntel an der Garderobe abholten und ich in meinen schlüpfte, sprang an meinem Kleid der oberste Knopf auf.
    »Was ist denn das?«, fragte Fernand und zeigte auf Ihren Schal.
    »Ein Schal.«
    »Das sehe ich selbst, danke. Ich möchte bloß wissen, woher du ihn hast!«
    »Ich habe ihn geschenkt bekommen.«
    »Von wem?«
    Für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich daran, ihn zu belügen. Und dann sagte ich mir, Schluss jetzt, ich bin mündig, er kann mir sowieso nichts mehr anhaben.
    »Von Monsieur Templeton.«
    Fernand lief dunkelrot an.
    »Ich hatte dir doch gesagt, du sollst dich vor ihm in Acht nehmen!«
    »Sie haben mir aber nicht gesagt, wie ich mich verhalten soll, wenn er mir ein Geschenk überreicht.«
    »Lassen wir diese Spielchen, Lila, einverstanden?«
    »Nichts lieber als das.«
    »Hör zu, ich versuche ja schon seit geraumer Zeit, dich zu warnen, aber du stellst dich immer taub, also sage ich es dir jetzt rundheraus. Ich habe über Templeton Nachforschungen angestellt. Im Ministerium hat er beileibe nicht nur Freunde. Es gibt Gerüchte, die seine

Weitere Kostenlose Bücher