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Die Ballade der Lila K

Die Ballade der Lila K

Titel: Die Ballade der Lila K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blandine Le Callet
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wie kann ich sie dann ausfindig machen?«
    »Kein Problem. Wenn Sie möchten, können wir Sie zu ihr führen.«
    »Aber … wie kann das sein? Befindet sie sich etwa noch auf dem Gefängnisgelände?«
    Der Automat erstarrte, dann wiederholte er:
    »Wenn Sie möchten, können wir Sie zu ihr führen.«
    Ich erkannte, dass die Frage seine Zuständigkeit überschritt und er mir nicht mehr sagen konnte. Nachdem ich mich bedankt und ihm noch einen schönen Tag gewünscht hatte, passierte ich den Metalldetektor.
    Im Hof wurde ich bereits vom nächsten Automaten erwartet, einem uralten Modell mit seltsam gegerbter Epidermis. Gesicht und Hände wiesen Spuren von notdürftigen Reparaturen auf – ein wenig appetitliches Patchwork aus Metallflicken und künstlicher Haut. Eindeutig ein Auslaufmodell, das seine besten Zeiten längst hinter sich hatte – damit will ich nicht entschuldigen, was anschließend geschehen ist, aber es verdient Erwähnung.
    »Der Besuch für Moïra Steiner. Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
    Ich folgte ihm, wenn auch einigermaßen verwirrt. Der Automat hinkte. Bei jedem Schritt ertönte in Hüfthöhe ein leises Quietschen.
    Etwa zwanzig Meter vor dem Hauptgebäude bog er rechts in eine lange Kiesallee ein. Sie endete vor einem Tor, hinter dem ein abgeschlossener Bereich lag. Auf einmal wurde mir mulmig zumute.
    »Wo führen Sie mich eigentlich hin?«
    »Wenn Sie mir bitte folgen würden«, wiederholte er in exakt demselben Ton wie beim ersten Mal.
    »Sind wir hier überhaupt richtig?«
    »Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
    Ich musste mich wohl oder übel damit abfinden, keine Antworten zu bekommen.
    Als wir uns dem Tor näherten, ging es ganz langsam auf, und ich erblickte breite, streng parallel angelegte, eibengesäumte Alleen, dazwischen dichte Reihen von tristen, rechteckigen Zementblöcken, die kein Ende zu nehmen schienen.
    »Es muss sich um einen Irrtum handeln.«
    Der Automat drehte sich zu mir, ohne auf meine Bemerkung einzugehen. Als er lächelte, warfen seine Mundwinkel scheußliche Falten.
    »Moïra Steiner, Allee 12 , Nummer 6820 , zwischen den Merkpfählen 57 und 58 . Falls es Probleme gibt, können Sie gern am Schalter nachfragen.«
    »Ich sagte doch, es muss sich um einen Irrtum handeln!«
    Er lächelte unverdrossen weiter.
    »Falls es Probleme gibt, können Sie gern am Schalter nachfragen.«
    Dann drehte er sich quietschend um die eigene Achse. Ich hielt ihn am Arm zurück.
    »Ich will meine Mutter sehen, du blödes Stück Blech!«
    Er begann am ganzen Körper zu vibrieren. Ich schüttelte ihn und brüllte:
    »Sag schon, olle Blechdose, wo ist meine Mutter?«
    »A… Al… Allee 12 «, stotterte er, »Nu… Nummer …«
    Plötzlich hielt er inne. Ich hörte eine Art Knacken in seinem Gehäuse, dann kippte er nach hinten weg und fiel in den Kies, die Augen geschlossen, die Lippen leicht geöffnet. Ein letztes Zucken huschte über sein Gesicht. Er röchelte kurz. Und dann hauchte er sein Leben aus.
    Was danach geschehen ist, weiß ich nicht. Ich erinnere mich nur daran, wie ich die riesigen Alleen angestarrt habe, die gestutzten Eiben, die Hunderte von Gräbern in Reih und Glied, und wie absurd mir das alles vorkam. Als hätte die Welt an dieser Friedhofsschwelle schlagartig aufgehört zu existieren, als hätte sie jede Substanz verloren. Es gab keine Materie mehr, keine Farbe, keinen Sinn. Nur noch Schatten, die mit der Stille verschmolzen, Linien, die sich um die Eiben krümmten, und den Himmel, der auf die Gräber spuckte. Über alldem lag mein Schmerz.
    Ich kann mich nicht daran erinnern, das Fläschchen geöffnet und die Beruhigungstabletten geschluckt zu haben. Es muss aber passiert sein, denn so wurde ich eine Stunde später aufgefunden, leblos neben der Automatenleiche.
    Als ich wieder zu Bewusstsein kam, lag ich festgeschnallt auf einem Bett. Neben mir klapperte leise eine Maschine. Ich wollte die Lider heben, aber es ging nicht. Eine Stimme sagte:
    »Nicht bewegen. Und auch nicht sprechen. Sie sind im Krankenhaus. Hier werden Sie versorgt.«
    Als ich das nächste Mal aufwachte, gelang es mir endlich, die Augen zu öffnen. Fernand saß an meiner Seite. Er hatte seine Betroffenheitsmiene für ganz besondere Gelegenheiten aufgesetzt.
    »Wie fühlst du dich?«
    »Gut.«
    So war es auch. Ich spürte nichts mehr, vermutlich wegen der Betäubungsmittel, die man mir gespritzt hatte. Fernand legte die Hand auf das Laken, dicht neben meine. Ich wand mich unter den Gurten.
    »Man

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