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Die Ballade der Lila K

Die Ballade der Lila K

Titel: Die Ballade der Lila K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blandine Le Callet
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sie mir für später aufgehoben. Zunächst musste ich die anderen davon überzeugen, dass ich weder wahnsinnig noch suizidgefährdet war, was nicht leicht zu werden versprach.
    Fernand teilte mir eines Morgens mit, dass zwei Ermittler mich aufsuchen würden. Da es mir inzwischen etwas besserging, hatten die Ärzte das genehmigt.
    »Ermittler? Warum?«
    Fernand hüstelte und rückte mit seinem Stuhl näher.
    »Deine Reise in die Zone … Dein Besuch im Gefängnis von Chauvigny … Das Ministerium will wissen, wie du den Namen deiner Mutter herausgefunden hast.«
    Ich schwieg.
    »Er war aus sämtlichen Dokumenten getilgt, die man uns übergeben hat. Also kannst du ihn nicht mit legalen Mitteln in Erfahrung gebracht haben. Darum wurden jetzt Ermittlungen eingeleitet.«
    »Was Sie wohl begrüßen.«
    »Wie kannst du nur so etwas sagen?«
    »Es scheint Sie jedenfalls nicht weiter zu stören, dass man mich im Krankenbett verhören will.«
    »Wenn ich dir helfen könnte, würde ich es tun, glaub mir! Aber hier entscheidet allein das Ministerium.«
    »Schon gut, Fernand, ich verstehe es ja.«
    »Was wirst du tun, Lila? Was wirst du ihnen sagen?«
    »Tja … die Wahrheit. Was anderes bleibt mir wohl nicht übrig.«
    »Man wird dich bestrafen«, sagte er mit erstickter Stimme.
    »Ich weiß, aber so ist es nun mal. Hier entscheidet allein das Ministerium!«
    So forsch ich mich auch gab, insgeheim war mir angst und bange. Selbstverständlich hatte ich nicht die geringste Absicht, die Wahrheit zu sagen. Dafür musste ich mir aber etwas anderes einfallen lassen, das sich glaubhaft anhörte. Die Ermittler hatten sich für den späten Vormittag des folgenden Tages angekündigt. Mir blieben keine 24 Stunden, um einen Ausweg zu finden.
    Guter Rat kommt über Nacht – das stimmt. Vielleicht liegt das an der Macht der Träume. Im Dunkeln ist das Gehirn reger, empfänglicher für das, was hilfreiche Geister ihm einflüstern. Natürlich habe ich diesbezüglich keine Gewissheit, aber der Gedanke gefällt mir. Ich stelle mir gern vor, wie ich in dieser Nacht ungeachtet der Gurte, die meinen Körper ans Bett fesselten, Besuch von meinem lieben Verstorbenen erhielt. Als ich seine Antwort gehört hatte, fragte ich ihn:
    »Wollen Sie das wirklich? Macht es Ihnen nichts aus?«
    »Wo denkst du hin, Mädchen! Im Gegenteil, es freut mich über alle Maßen.«
    Die Ermittler tauchten um elf Uhr auf. Zwei Zuträger in Uniform – Gehrock mit vergoldeten Knöpfen, anthrazitgraue Reithosen, breiter Ledergürtel –, die den Hut vor mir zogen: Wir werden Sie keinesfalls allzu lange inkommodieren, Mademoiselle, wir wollen Ihnen nur ein paar kleine Fragen stellen, sicher haben wir mit Ihrer Unterstützung schnell alles geklärt. Als ich daraufhin mit gesenktem Kopf und in ergebenem Ton sagte: Aber ja, meine Herren, Sie können auf mich zählen , sah ich ihre Augen aufleuchten.
    Sie nahmen neben dem Bett Platz, das Grammabook auf den Knien, um meine Aussage aufzunehmen. Dank der guten Vorbereitung war ich innerlich die Ruhe selbst.
    Mit bestürzter Miene – sie sollten ja sehen, wie schwer mir dieses Geständnis fiel – verkündete ich:
    »Ich wusste schon seit langer Zeit über meine Mutter Bescheid. Lange, bevor ich das Zentralheim verließ.«
    Verblüfft wechselten die zwei einen Blick, und das Ziegenbärtchen, das beider Kinn zierte, zitterte leicht.
    »Ich war noch klein, meine Herren, da habe ich keine Fragen gestellt. Was kann ich denn dafür, dass er mir gesagt hat: Deine Mama heißt Moïra Steiner . Außerdem sagte er: Sie sitzt im Gefängnis, in Chauvigny, das ist im 17 . Bezirk. Er wollte doch nur mein Bestes. Er war der Meinung, dass ich Bescheid wissen sollte. Danach musste ich ihm schwören, es niemandem zu erzählen, weil er nicht das Recht habe, mir zu sagen, wer meine Mutter ist, und deswegen in große Schwierigkeiten geraten könne. Also habe ich geschwiegen, weil ich es ihm geschworen hatte und auch nicht wollte, dass er Ärger bekam.«
    Die beiden Ermittler sahen mich verständnislos an.
    »Aber … aber wen meinen Sie überhaupt, Mademoiselle?«
    »Ich meine Monsieur Kauffmann, meinen Tutor. Er hat mir alles verraten.«
    So lautete das zauberhafte Märchen, das ich den zwei Knallchargen auftischte. Je länger ich sprach, desto entrüsteter schauten die beiden drein, während sie mit knochigen Fingern auf die Tastaturen ihrer Grammabooks eindroschen.
    Sie schienen meine Geschichte nicht im Geringsten anzuzweifeln. Da Monsieur

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