Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
und Äxten bewaffnet.
Keiner von ihnen hatte als Erster gewagt, dem Pfarrer zu Hilfe zu eilen. Jeder hatte auf den Nachbarn gewartet, dann hatten alle auf die in Mülheim stationierten Soldaten gewartet. Erst als die Banditen abzogen, hatten sich die Männer ein Herz gefasst und waren zum Pfarrhaus gerannt.
Jetzt traf auch die Abteilung der kurpfälzischen Kavallerie ein. Der Bruder des Pfarrers zeigte den Soldaten, in welche Richtung die Räuber geflohen waren. Die Reiter jagten in einem großen Bogen über die Pfarrstraße bis zur Ruhr und überquerten schwimmend den Fluss. Auf der anderen Seite saßen sie ab und versteckten sich.
Die Bande war mitten durch die sumpfigen Ruhrwiesen zum Ufer gerannt, im Rücken das Geschrei der Mülheimer Bürger. Sie hatten den Kahn erreicht und ihn aus den Uferbüschen gezogen. Gerade wollten sie hineinspringen, als Bosbeck plötzlich stutzte. Er hatte Pferdewiehern von der anderen Seite des Flusses gehört. »Los, raus da, das ist eine Falle, da drüben warten sie schon!«
Mathias starrte über das dunkle Wasser. Jetzt hörte auch er das Schnauben von Pferden. Das Geschrei der näher kommenden Verfolger wurde lauter.
»Wir fliehen am Ufer entlang bis nach Werden!«, befahl Bosbeck. Die Männer rannten, und bald hatten sie die Verfolger abgeschüttelt. Bosbeck rief nach Overtüsch und Heckmann. Keine Antwort. »Anhalten!«, schrie er. Overtüsch und Heckmann waren nicht da. »Wenn die geschnappt worden sind, holen wir sie raus!« Dann blickte er sich unruhig um. »Wer hat die Beute?«
Die Räuber sahen sich an.
»Wer hat den Sack mitgenommen?« Die Stimme überschlug sich.
Die Räuber schoben einen von ihnen vor. »Bei der Flucht hab ich den Sack im Garten des Pfaffen fallen lassen.« Der Mann flehte um Gnade.
Bosbeck trat dem Gefährten in den Bauch. »Wir kehren um. Wir holen uns den Sack!«
Die Räuber machten wortlos kehrt und folgten ihm. Aber schon nach einem Kilometer sahen sie weit vor sich das Ruhrtal voller flackernder Lichter. Bosbeck fluchte: »Verdammt! Da kommen sie! Wir müssen über den Fluss, wenn die uns kriegen, hängen die uns.«
Sie suchten nach einem Boot. Die Verfolger näherten sich. Ihr Geschrei war schon deutlich zu verstehen. Endlich stießen sie bei einer kleinen Siedlung auf einen Kohlenkahn. Sechs Schiffer arbeiteten auf dem Boot. Bosbeck riss den Säbel heraus und sprang zwischen sie, stach einen nieder, die anderen stolperten an Land. Die Männer stiegen in den Kahn, dann trieben sie mit der Strömung in die Mitte des Flusses. Weiter unten stieß das Boot ans Ufer. Keiner der Verfolger hatte den Kahn bemerkt. Bosbeck und seine Männer flüchteten in den Wald und wanderten bis zum Krummenweg bei Breitscheid. Hier versammelten sie sich an dem verabredeten Treffpunkt. Die beiden Vermissten warteten schon. Heckmann war wütend auf den Meersener Anführer. Seine Lippe war aufgeplatzt von dem Schlag, den er im Haus des Pfarrers bekommen hatte. Mit gezücktem Säbel trat er auf Bosbeck zu. »Los, teilen wir!«
»Es gibt nichts zu teilen. Der Bettbezug mit der Beute ist im Garten des Pfarrers geblieben!«
Overtüsch riss seine Pistole aus dem Gürtel. Wutschnaubend rannte er von einem Gefährten zum anderen. »Ihr habt uns betrogen!« Doch alle Räuber bestätigten, was Bosbeck gesagt hatte.
Mathias raunte Heckmann zu: »Bosbeck hat selbst alle Goldstücke eingesteckt. Ich hab’s genau gesehen.«
Heckmann grunzte und gab Overtüsch ein Zeichen. Mathias pfiff den drei Neußern, die mit dabei waren.
Bosbeck trank mit einigen Meersenern aus einer Flasche Schnaps. Heckmann stellte sich breitbeinig vor ihn. Immer noch hielt er den Säbel in der Hand. »Los, rück die Goldstücke raus! Wir teilen!« Bosbeck grinste. Er hob mit der rechten Hand die Flasche zum Mund. Die linke schob sich langsam über den Knauf seiner Pistole. Heckmann schlug ihm mit dem Säbel die Flasche aus der Hand. Splitter und Schnaps spritzten dem Anführer ins Gesicht. Heckmann, Overtüsch, Mathias und die Neußer gingen hinter Bäumen in Deckung. Overtüsch schoss, ohne zu zielen, auf die Männer, die bei Bosbeck saßen. Der hatte bereits beide Pistolen in den Händen und feuerte blindlings in den Wald. Auch die Meersener gingen in Deckung. Die Räuber schossen, luden, schossen und luden wieder. Keiner sah einen Gegner, keiner traf. Langsam ging ihnen das Pulver aus. Overtüsch schrie: »Bosbeck, wo bist du? Ich will meinen Anteil!«
Er stürzte sich auf den Ersten, den
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