Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Hörstgen bei Krefeld gelten, der andere sollte auf das Haus des Rotgerbers in Daaden gemacht werden. Belz wusste, dass der Neuwieder Bankier Bruckmann sein gesamtes Vermögen zu seinem Schwiegervater, dem Rotgerber Akts, nach Daaden gebracht hatte, um es in den Kriegswirren vor plündernden Soldaten zu schützen. Adolph Weyers zog mit einigen Männern los, um den reichen Pferdehändler in Hörstgen zu überfallen. Er wollte in der Neußer Furt übernachten und mit dem Fetzer über seine Vorhaben sprechen. Weyers hatte die Nacht bei Liblar nicht vergessen. Aber auch ihm war klar, dass offener Streit unter den Räubern jeden gefährden würde. Er träumte davon, dass der Fetzer als Offizier mitmachen und er selbst der Anführer sein würde. Er traf Mathias im Garten des ›Schwan‹, wo er mit seiner Tochter spielte.
Erst nach einer längeren Unterredung war Mathias bereit, bei den geplanten Überfällen unter Weyers’ Führung mitzumachen. Der alte Streit sollte begraben sein.
»Gibt’s in Neuwied auch Platz für die Gertrud und meine Ursula?«
»Das Wirtshaus von Belz ist groß genug«, versicherte Weyers.
Der Fetzer ließ seine Frau alle Sachen packen. Nach drei Tagen verließ er gemeinsam mit seiner Familie und den Kumpanen, die ihn begleiten wollten, die Neußer Furt.
Mathias lernte in einem Neuwieder Bordell Christine kennen, ein schlankes Mädchen mit schwarzen Haaren. Unter ihren großen blauen Augen entstanden kleine Falten, wenn sie lachte oder etwas Komisches erzählte. Wenn sie mit einer Kopfbewegung eine lästige Haarsträhne zurückwarf, klirrten ihre silbernen Ohrringe. Sie schmückte sich gern und trug meist Papierblumen oder eine große Brosche an ihrem Ausschnitt.
Sie ließ sich von Mathias erst einen Golddukaten zeigen, bevor sie mit ihm nach oben ging. In ihrem Zimmer sagte Christine: »Du bist hässlich!«
Mathias wurde zornig, aber sie lachte ihn so fröhlich an, dass er sich zu einem Grinsen zwang.
Christine gefiel ihm. Er blieb zwei Tage bei ihr.
Mai 1798
Der Daadener Überfall war gut vorbereitet, die Bande zum Abmarsch bereit. Mathias musste in der Herberge Zurückbleiben. Seine Leisten waren dick angeschwollen. Er konnte die Beine kaum noch bewegen.
Am Morgen wurde laut an die Tür geklopft. Der Fetzer wachte auf, griff nach seinem Messer. »Wer ist da?« Es war Belz. Der Wirt war bleich und bat Mathias, sofort mitzukommen. Mathias befürchtete, seiner kleinen Ursula sei etwas zugestoßen.
»Was ist denn passiert?«, schrie er.
»Alle sind verhaftet. Nur zwei konnten entkommen. Alle meine Waffen sind verloren.«
Mathias sprang aus dem Bett. »Ich komme!«
Unruhig und wütend lief Belz in seiner Schankstube auf und ab. »Was soll ich jetzt machen? Wenn alle verhaftet sind, verdien ich doch nichts mehr.«
Der Fetzer setzte sich und winkte den Wirt an seinen Tisch. »Ich bin ja noch da. In dieser Gegend bin ich jetzt der größte Offizier.« Mathias sah ihn an. »Wenn du mich nicht betrügst, verdienst du mehr als je zuvor. Haust du mich übers Ohr, bekommst du Ärger.«
Belz war nicht überzeugt. »Was willst du allein machen? Du hast ja keine Männer!« Mathias goss sich einen Becher Schnaps ein. »Du wirst sehen, bald wird es hier von Räubern nur so wimmeln. Es hat sich rumgesprochen, dass Neuwied unser Treffpunkt ist.« Mathias trank. »Ich muss für die nächste Zeit verschwinden, bis sich die Aufregung gelegt hat. Ich geh in die Neußer Furt zurück. Da sind noch ein paar von meiner alten Bande.«
Belz war noch immer nicht überzeugt.
»Jetzt bin ich hier der Anführer. Du musst jedem fremden Räuber von mir erzählen. Ist das klar?«
Belz wollte aufstehen. Mathias fasste seinen Arm und zog langsam das Messer. Belz versicherte schnell: »Klar, Fetzer! Ich werde allen von dir erzählen.«
»Noch was. Ich lasse Gertrud mit dem Kind hier. Sag deiner Mutter, sie soll auf die Ursula aufpassen. Ich zahl gut. Wenn dem Kind was zustößt, brenn ich dein Haus ab und schmor dich und deine Familie!« Der Wirt wischte sich über die Stirn. Er versprach, für das kleine Mädchen zu sorgen.
Gertrud stürzte in den Schankraum. »Alle sind verhaftet worden!«, rief sie atemlos. »Der Kurier hat es auf dem Markt ausgerufen.«
»Ich weiß.«
Gertrud umarmte ihn. »Ich bin froh, dass sie dich nicht gekriegt haben.«
Mathias ging auf den Marktplatz und hörte sich um. Er erfuhr, dass schon seit März dieses Jahres ein neues Gesetz in den französischen Gebieten galt. Seit zwei
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