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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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Stimme, auf
     die sie nicht hören wollte. Hastig wandte sie sich den Kisten zu. Es war wirklich nicht der Augenblick, sich wehmütig über
     ihre alten Spielsachen zu beugen.
    Marie-Provence zählte nach. Fünfzehn hölzerne Truhen mit Deckeln standen vor ihr. Und nichts unterschied sie äußerlich voneinander.
     Ihre Handflächen wurden feucht. Nie im Leben würde die Zeit ausreichen, sie alle zu durchsuchen. Sie versuchte aufs Geratewohl,
     einen der Deckel zu heben. Es gelang problemlos. Croutignac verließ sich offensichtlich auf das Schloss an der Tür, um seine
     Schätze zu sichern.
    Ein Geräusch am Fenster ließ sie zusammenfahren. Als sie nach draußen spähte, sah sie, dass es angefangen hatte zu regnen.
     Der auffrischende Wind ließ die Tropfen auf die Scheiben prasseln. Falls Croutignac seinen Spaziergang wegen des Wetters abkürzte,
     musste sie eben schneller sein als er.
    Marie-Provence beugte sich wieder über die geöffnete Kiste. Diese war mit kartonierten Umschlägen gefüllt. Marie-Provence
     zog einen der Umschläge heraus, auf dem ein Name stand, der ihr nichts sagte, und durchblätterte den Inhalt kurz. Jemand hatte
     Informationen zusammengetragen, wahrscheinlich über die Person, deren Name auf dem Umschlag stand. Marie-Provence klappte
     die Mappe wieder zu und seufzte ungeduldig. Das war es nicht, wonach sie suchte.
    |300| Quer über den Umschlägen lag eine Liste. Sehr gut. Croutignac schien Gott sei Dank über einen besseren Ordnungssinn als sein
     Schwager Jomart zu verfügen. Diese Umschläge beinhalteten offensichtlich Informationen über Personen, deren Nachnamen mit
     den Buchstaben K und L anfingen. Nachdenklich glitt Marie-Provence’ Blick über die verbliebenen vierzehn Kisten. Wenn sie
     Croutignac richtig einschätzte, standen sie hier in einer bestimmten Reihenfolge. Mal angenommen, jede Kiste stand für zwei
     Buchstaben, dann blieben noch zwei Kisten anderen Inhaltes übrig.
    Sie kniete vor zwei Truhen nieder, die etwas abseits standen, und klappte sie auf. Keine Hefte, sondern lose Blätter, manche
     ihres Formates wegen mehrmals gefaltet. Sie zog eines heraus. Es war ein Plan, vergilbt und leicht brüchig. Auf einer Ecke
     prangte ein Abdruck.
Archives de Paris
, las Marie-Provence und stieß einen lautlosen Freudenschrei aus.
    Fieberhaft und doch gründlich begann sie, die Dokumente zu durchblättern. Ein Konstruktionsplan des pont de la Tournelle,
     eine Skizze der Abwasserkanäle, ein Schnitt der alten Oper   … Falls auch hier ein System bestand, nach dem die Pläne und Bilder geordnet waren, so blieb es ihr unverständlich. Sie hatte
     keine andere Wahl, als alles einzeln durchzugehen − mit einer einzigen Hilfe: Sie kannte die zweite Hälfte des Dokumentes,
     das sie suchte, und konnte sich an dessen Größe orientieren. Dennoch trieb ihr die Anzahl der Pläne, die sie durchsehen musste,
     den Schweiß auf die Stirn.
    Nach einer Weile, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, klappte sie die erste der beiden Kisten zu und machte sich an die nächste.
     Wieder vertiefte sie sich in den Inhalt. Inzwischen klebten ihr vor Anspannung die Kleider am Leib. Sie zwang sich, nicht
     ständig an die Zeit zu denken, die unerbittlich dahinrann, um sich mit aller Kraft auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Als
     sie etwa ein Drittel der letzten Kiste durchforstet hatte, ließ ein Umriss sie innehalten. Sie zog das Dokument heraus und
     entfaltete es. Ihr Herz schlug schneller. Ja, das hier war eindeutig die Silhouette des Temple!
    |301| Ein lautes Geräusch ließ sie zusammenfahren. Sie lief zum Fenster. Ein paar Steine lagen draußen auf dem nassen Sims. Menschen
     liefen eilig über den quai, um sich in Sicherheit zu bringen, denn der Regen peitschte nun wütend über die Stadt. Batz hockte
     unten und gab vor, etwas an seinem Schuh zu richten. Der Wind klatschte ihm den triefenden Umhang um den Körper. Dennoch schien
     er ihr Fenster im Blick zu behalten, denn er wies zur Seite. In einem Anflug von Panik erkannte Marie-Provence eine Kutsche.
     Auguste stemmte sich daneben gegen den Sturm, hielt seinen Hut fest und riss den Schlag auf, um seinem Herrn beim Aussteigen
     behilflich zu sein.
    Marie-Provence sprang vom Fenster zurück zur offenstehenden Kiste. Ein letztes Mal hockte sie sich davor, um in fliegender
     Hast die noch ungesehenen Dokumente durchzublättern. Sie hatte keine Zeit mehr, sie zu überprüfen, also riss sie kurzerhand
     alles heraus, was dem Gesuchten ähnelte.

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