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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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ich eine Wahl? Glauben Sie vielleicht, dass die Soldaten, die hinter Ihnen her sind, einen Unterschied zwischen uns
     machen werden?», gab André zurück. Wütend stapfte er zum nächstbesten Reiter. Noch nie hatte er ein Gefühl empfunden, das
     Hass so nahe kam.
     
    Die Kutsche war in der Tat gut versteckt. Rasch wurde sie von den Tannenzweigen befreit, die zur Tarnung benutzt worden waren.
     Charles verschwand hinter den mit schweren Gardinen verhängten Scheiben, dann war Marie-Provence an der Reihe. Sie sagte etwas
     zu ihrem Vater, der den Schlag des Wagens offen hielt, sah dabei zu André hinüber. In dem Augenblick blinkte etwas hinten
     am Waldsaum. Winzige Gestalten bewegten sich dort. Menschen oder Tiere?
    «Soldaten! Wir müssen los!», schrie einer der Männer.
    Dann ging alles ganz schnell. Guy de Serdaine stieß Marie-Provence in den Wagen und warf den Schlag hinter ihr zu. Der Kutscher
     schwang die Peitsche, der Wagen setzte |409| sich in Bewegung. Die Reiter gaben ihren Tieren die Sporen. André schnappte sich Marie-Provence’ herrenlose Stute und sprang
     in den Sattel.
    Er sah Guy de Serdaine erst, als es zu spät war. Der Schlag, der ihn vom Pferd warf, traf ihn völlig unerwartet. André schmeckte
     Blut. Er sprang sofort wieder auf die Füße. «Was soll das?», schrie er.
    Serdaine verzerrte das Gesicht und holte erneut aus. Ein heftiger Peitschenhieb – die reiterlose Stute wieherte schmerzvoll
     auf und raste im gestreckten Galopp davon.
    «Tut mir leid, Levallois, aber für Sie ist kein Platz in dieser Truppe!»
    André schrie auf vor Wut. «Warum?», brüllte er aus Leibeskräften der sich im Galopp entfernenden Gestalt hinterher. «Warum
     lassen Sie sich zu solchen Schurkereien herab, Serdaine? Haben Sie solche Angst vor mir?» Er lachte auf, ein schreckliches
     Lachen, das ihm die Kehle zerriss. «Es ist zu spät, Serdaine! Sie ist mein! Haben Sie gehört? Mein! Sie werden Sie nie mehr
     zurückbekommen!»
    Guy de Serdaine riss so heftig an seinen Zügeln, dass sein Pferd sich aufbäumte. Er warf das Tier herum. «Sie sind ein Idiot,
     Levallois! Was glauben Sie wohl, was meine Tochter mir gerade gesagt hat? Sie will Sie nie mehr sehen!» Er brüllte höhnisch:
     «Wundert Sie das etwa? Schauen Sie sich doch an! Was haben Sie denn noch zu bieten? Sie haben ihr doch schon alles geschenkt!»
    André starrte Serdaine noch mit geballten Fäusten nach, als das Stakkato der herannahenden Soldaten schon längst das schallende
     Lachen des davoneilenden chevaliers übertönte.

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    |411| Carnac
    DER BIRKENGARTEN
    |413| 13.   KAPITEL
    Prairial, JahrIII
    Juni 1795
     
    Rosanne ließ den Blick durch die düsteren Gänge mit den vergitterten Zellentüren schweifen, während der Soldat seinen Schlüsselbund
     zückte. Sie rümpfte die Nase. Ob das Gefängnis Saint-Lazare auch früher schon, als das Gebäude noch unter Saint Vincent de
     Paul als Kloster diente, diesen strengen Zwingergeruch ausgeströmt hatte? Oder dünstete das Gebäude die Todesängste des perversen
     marquis de Sade und Hunderter anderer Gefangener der Revolution aus?
    «So. Geh ruhig rein.» Der Soldat stieß die Tür der Zelle auf, um Rosanne mit ihrem Korb Platz zu machen.
    Rosanne erblickte den Gefangenen sofort. Er saß an einem kleinen Tisch, der unter dem einzigen vergitterten Fenster stand,
     und war damit beschäftigt, einen Brief zu schreiben. Als sie eintrat, sah er überrascht auf.
    «Bonjour, André.»
    «Rosanne? Wie hast du es geschafft, zu mir durchzukommen?»
    «Ich habe einfach gefragt.» Rosanne lächelte und stellte den Korb ab. «Ich habe dir etwas zu essen mitgebracht. Ich schätze,
     auch in Saint-Lazare ist die Verpflegung nicht die beste.»
    «Das Essen ist mir egal», antwortete er, fügte dann aber mit einem gezwungenen Lächeln hinzu: «Aber es ist nett von dir, dass
     du gekommen bist. Entschuldige mein Benehmen. Ich schreibe gerade einen Abschiedsbrief an meine Eltern und bin nicht in bester
     Stimmung.»
    «Einen Abschiedsbrief?» Rosanne ließ sich auf Andrés Bett sinken. «Heißt das, dass sie dich verurteilt haben?»
    |414| «Einen Termin habe ich noch nicht, doch es liegt auf der Hand.»
    Wieder dieses Lächeln, das keines war. Ihm hing ein Zynismus an, der Rosanne bei André zuvor noch nie aufgefallen war. Sie
     betrachtete ihn genauer. Jetzt, wo sie ihm gegenübersaß, entdeckte sie auch eine blutverkrustete, fingerlange Wunde an seiner
     rechten Wange. Ihr Herz zog sich vor

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