Die Ballonfahrerin des Königs
Mutter tätschelte seinen Arm. «Er meint es nicht so, André. Dein Vater ist nur etwas in Sorge, weil die Zahlen schlecht
sind.»
«Schlecht, Vater?»
«Wenn du dich etwas mehr für das Geschäft interessieren würdest, wäre es dir selber aufgefallen. Oder wimmelt es hier vielleicht
von Kunden?», grummelte sein Vater und stieg wieder von der Leiter. Als er dem Blick seiner Frau begegnete, hob er eine Hand.
«Schon gut, schon gut, Elinor, ich weiß, was du denkst. Ich bin ein alter Mann, der seine Familie tyrannisiert.»
«Ich würde dich nie als alt bezeichnen, mein Lieber», lenkte Elinor lächelnd ab. «Schließlich sind wir beide im selben Jahr
geboren. Wie würde ich dann dastehen?»
«Nie anders als heute, ma colombe.» Angus drückte ihr zärtlich die Schulter. «Als die schönste und liebenswerteste Frau auf
Erden.» Er strich über seine Stirnglatze und wurde wieder ernst. «Ich wünschte mir nur, André, du würdest etwas mehr Interesse
an der Arbeit in der Fabrik zeigen und weniger Zeit für deine Spielereien opfern. Schließlich wirst du das alles einmal erben.
Und um dieses Erbe gut zu verwalten, musst du wissen, wie man das Beste aus neuen Kunden herausholt.»
|71| «Ich dachte, Jomart sei nicht irgendein Kunde, sondern ein alter Freund von dir. Außerdem spiele ich nicht, Vater. Meine Arbeit
am künstlichen Ultramarin, zum Beispiel, macht Fortschritte.» Eifrig ergänzte André: «Du weißt, was für eine Sensation es
wäre, wenn wir das Blau selbst herstellen könnten! Ich habe mit Kaolin experimentiert, und …»
«Das sind doch alles Träumereien, die eine Menge Geld schlucken! Wenn ich nur an dieses Ungetüm denke!»
André ließ sich nicht beirren. «Dieses Ungetüm bringt uns auch Geld ein. Ich habe einen bezahlten Auftrag für die Fête de
l’Être Suprême in zehn Tagen.»
«Den dein Bruder dir besorgt hat!»
«Was macht das für einen Unterschied? Ganz Paris wird auf den Beinen sein, um Robespierre zu sehen und zu hören, und dank
meiner Konstruktion werden Tausende von Menschen das Haus Levallois mit diesem Ereignis verknüpfen!», gab André zurück. «Herrje,
Vater, in dem, was ich mache, geht es um den größten Traum der Menschheit! Ich hätte gedacht …» Er unterbrach sich, als seine Mutter warnend den Kopf schüttelte. Mehr mit sich als mit seinem Vater unzufrieden, strich
er eine mit Rosenranken verzierte Tapetenbahn glatt, die als Muster locker vor der Wand hing. Zum Teufel! Warum nur ließ er
sich immer wieder auf diese unfruchtbaren Diskussionen mit seinem Vater ein? Er holte tief Luft und fuhr begütigend fort:
«Was macht dir denn solche Sorgen, Vater? Dass unsere besten Kunden von Adel waren und jetzt ihre Wohnungen in Koblenz, Trier,
Turin oder London frisch tapezieren lassen statt in Paris, ist leider nicht zu ändern. Dafür haben wir aber neue gewonnen.
Diejenigen zum Beispiel, die durch die Revolution zu Geld und Ansehen gekommen sind und sich die schönen verlassenen hôtels
unter die Nägel gerissen haben.»
«So solltest du nicht sprechen», mahnte Elinor. «Schon gar nicht vor Mars.»
Wie immer, wenn es um seinen Bruder ging, reagierte André gereizt. «Hör auf, ihn Mars zu nennen, Mutter! Das ist doch lächerlich.»
|72| «Wenn dein Bruder es wünscht, statt Arthur einen neuen Namen zu tragen, sollten wir diesen Wunsch respektieren», sagte Elinor
fest. «Während der Taufe konnte er schließlich seine Meinung nicht kundtun.»
«Aber Mutter, der Name eines Kriegsgottes! Was will er damit beweisen?»
«Es wird alles Mögliche umgetauft. Straßen, Gebäude, Menschen – selbst die Monate und Jahre auf unserem Kalender haben sie
geändert. Ich finde Mars nicht den schlimmsten Namen, den einer meiner Söhne tragen könnte. Und ich möchte, dass auch du ihm
den Gefallen tust. Vielleicht streitet ihr euch dann etwas weniger.»
«Ich werde meinem Bruder meine Meinung sagen, wann immer ich es für richtig halte. Ganz sicher werde ich nicht jedes meiner
Worte überprüfen, nur weil er plötzlich glaubt, als Politiker auf die Welt gekommen zu sein, und Freunde im Sicherheitsausschuss
hat. Wenigstens im Familienkreis wird es ja wohl erlaubt sein, frei zu reden! Wo ist mein kleiner Bruder überhaupt?»
«Im club des Jacobins. Offenbar kursieren wieder einmal Gerüchte darüber, dass der kleine Louis im Gefängnis gestorben ist.
Sie wollen überlegen, wie gegen diese Gerüchte vorzugehen ist.»
«Ich habe
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