Die Ballonfahrerin des Königs
musste, damit sein Plan funktionierte. Gott sei Dank hatte er noch die Zusammensetzung
und ihre Mengenverhältnisse im Kopf.
Er befeuchtete seinen kleinen Finger, tunkte ihn leicht in das unappetitlich aussehende Häufchen und leckte daran. Ein beißender,
scharfer Geschmack durchfuhr seine Zunge, gefolgt allerdings von Bitterkeit. Akzeptable Qualität, aber auch Verunreinigungen,
urteilte er. Er legte die Scherbe sorgfältig auf den Boden, um ja nichts zu verschütten. Nach kurzem Stöbern im Gerümpel fand
er einen verbeulten Blechdeckel. Er las ein paar von den Kohlestückchen vom Boden auf, die ihm am saubersten erschienen, und
griff nach einem abgerundeten Holz, das vielleicht einmal ein Kochlöffel gewesen sein mochte und jetzt einen brauchbaren Mörser
abgeben würde. Nach einiger Zeit hatte er die Kohlestückchen zermalmt. Ein Voile-Fetzen diente ihm als Sieb, um das Kohlepulver
von den gröberen Stückchen zu trennen.
André nickte zufrieden. Jetzt den Schwefel aus der Apotheke. Er hatte keine Waage, und so blieben die Mischungsverhältnisse
letztendlich eine Frage des Augenmaßes. Aber er war geübt in dieser Art von Arbeit, und als er den Salpeter, den Holzkohlenstaub
und den Schwefel auf der Scherbe zusammenschüttete, war er recht zuversichtlich, in etwa die richtige Menge getroffen zu haben.
Und jetzt, Vorsicht! Sanfte Bewegungen, keine Stöße!
Konzentriert und geduldig machte er sich daran, die drei Komponenten miteinander zu vermengen.
***
Marie-Provence presste die Hände auf ihre tränennassen Wangen. Also gut, dachte sie, und atmete tief ein. Sie hatte nicht
so weit gehen wollen. Denn wenn das, was sie ihrem Vater jetzt sagen würde, André auch retten konnte, so würde es ihn gleichzeitig
in eine Lage bringen, die ihn erst recht Kopf und Kragen kosten konnte. Und diesmal würde es nicht mehr in ihrer Macht stehen,
sie von ihm abzuwenden.
|188| «Wenn du André Levallois töten lässt, machst du die vielleicht einzige Chance zunichte, Louis-Charles zu befreien.»
Guy de Serdaine riss den Kopf herum. «Was sagst du da?»
«André Levallois ist Ballonfahrer. Er hat mich einmal mitgenommen. Er hat die Kenntnisse, das Material und die Möglichkeiten,
einen Ballon zu bauen, zum Abheben zu bringen und weit außerhalb von Paris wieder abzusetzen. Wenn wir einen Weg finden, das
Kind aus dem Turm zu schleusen, ist es so gut wie frei.»
Guy de Serdaine starrte sie ein paar Sekunden lang wortlos an.
Marie-Provence konnte förmlich spüren, wie er diese Information verarbeitete, ihren Wert abzuschätzen versuchte und nachdachte.
Ein Klumpen ballte sich in ihrem Magen zusammen. Lange schon hatte sie über die Möglichkeit nachgedacht, Charles mit einem
Ballon zu entführen. Seit dem Tag, an dem sie und André über die Dächer von Paris geschwebt waren und sich die Grenzen des
Vorstellbaren verschoben hatten. Sie wusste, dass die Idee verrückt war. Aber vielleicht hatte sie gerade deshalb Aussicht
auf Erfolg. Bisher hatte sie ihre Überlegungen tief im Herzen eingeschlossen. Sie wollte André nicht willkürlich in etwas
hineinziehen, das ihn nicht berührte. Nicht, wenn es irgendwie anders ging. Er kämpfte nicht ihren Kampf, und es war ungerecht,
ihn wegen seiner Zuneigung zu ihr in Gefahr zu bringen.
Doch die Umstände hatten sich geändert. Die Gefahr für Andrés Leben bestand hier und jetzt. Er selbst hatte sich in die Situation
gebracht, indem er ihr trotz ihres gegenteiligen Wunsches folgte. Und vielleicht ergab sich ja doch noch eine andere Möglichkeit,
das Kind auf schnellem Wege über die Stadtgrenzen zu bringen, und sie konnten auf Andrés Hilfe verzichten. Hauptsache, sie
gewann Zeit.
Sie und ihr Vater sahen sich an.
Schließlich sagte er: «Der Vorschlag, einen Ballon zu nutzen, |189| ist das Abwegigste, was ich je gehört habe. Die Umsetzung ist mehr als fragwürdig. Sie ist gefährlich und kaum planbar.»
Sie wartete, während ihr Vater sich das Kinn rieb.
«Du hast keine Ahnung, ob er uns helfen würde.»
«Nein», sagte sie.
«Aber er liebt dich.»
Sie nickte. «Ja. Das tut er.»
«Es gibt kaum etwas, das man aus Liebe nicht täte.»
Sie nickte erneut, stumm diesmal, und fühlte sich wie eine Verräterin.
«Liebst du ihn auch?»
Sie ließen sich nicht aus den Augen.
«Nein, Vater.»
«Du wirst ihn überzeugen müssen, ist dir das klar? Und du wirst äußerst behutsam vorgehen müssen, um uns nicht zu gefährden.
Er ist
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