Die Ballonfahrerin des Königs
geholt hatte! Sie hatten alle gewusst, wie krank er war, doch erst heute Morgen hatte er ihr noch
von seinem Lager aus zugelächelt.
Guy de Serdaine wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. Wie Monsieur de Vezon und der abbé d’If hatte er
Schlammspuren an den aufgekrempelten Hemdsärmeln und den Hosen. Ein gutes Stück Arbeit hatten die Männer schon hinter sich,
denn die Steine hatten sie bereits aus der gemauerten Wand gelöst. Die mit Salpeter überzogenen Quader lagen abseits auf einem
Stapel. Sie würden sie brauchen, um die Mauer wieder zu errichten, wenn der Tote dahinter seinen Platz gefunden hatte. Allerdings
war es kaum weniger mühsam, die vom Wasser gesättigte, schwere Erde aus der Wand zu lösen. Doch Constantin hier zu begraben,
war weitaus sicherer, als im Freien eine Grube auszuheben. Holzdiebe und Wilderer, die ab und zu im Wald auftauchten, hätten
bei einer so langwierigen Arbeit eine Gefahrenquelle dargestellt, und auch später hätten die Grabspuren Aufmerksamkeit erregen
können.
«Vater, ich muss dich sprechen!»
Er sah sie prüfend an. «Ist es wegen diesem Levallois?»
«Es gibt da etwas, das du noch nicht weißt!»
«Wir bereden das nachher alle zusammen.»
Marie-Provence sah ihn eindringlich an. «Ich will, dass du mir in Ruhe zuhörst!»
|183| «Gehen Sie ruhig, Monsieur de Serdaine», lächelte der abbé d’If. «Sie haben mehr getan als alle anderen. Zeit für Sie, sich
eine Pause zu gönnen.»
«Monsieur l’abbé hat recht», pflichtete ihm Vezon bei. «Ich werde Ihre Schaufel übernehmen, wenn es Ihnen genehm ist.»
Guy de Serdaine zögerte. «Ich weiß nicht. Um ehrlich zu sein, mir gefällt der Anblick dieser Erde nicht besonders.» Er spähte
besorgt in das ausgehobene Loch, auf dessen Grund sich eine Pfütze gebildet hatte. «Ärgerlich, dass wir nicht über die Pläne
dieser unterirdischen Gänge verfügen − ich möchte keine Wasserader anstechen. Vielleicht hätten wir besser an anderer Stelle
graben sollen.»
«Keine Sorge, wir werden aufpassen», sagte Vezon. «Wir hören auf, wenn wir etwas Ungewöhnliches bemerken.»
Guy de Serdaine warf Marie-Provence einen Blick zu. «Also gut. Sehr freundlich von Ihnen, Messieurs.»
«Stets zu Ihren Diensten, Monsieur le Chevalier.» Die drei Männer nickten sich zu.
Auf einmal befiel Marie-Provence ein überwältigendes Glücksgefühl. Diese drei Männer und ihre Umgangsformen waren ein Teil
ihrer Kindheit. Ihre vertraute alte Welt existierte also noch, würde wiederauferstehen! Wenn Charles erst einmal aus dem Turm
des Temple befreit wäre, müssten sie sich nicht mehr in Kellern verstecken. Sie lächelte, als ihr Vater auf sie zuging.
***
André sprang auf und schmetterte die Latte fluchend gegen die Wand. Nichts! Kein Durchgang, kein Mechanismus, keine Verfärbung
− die Steine rührten sich nicht vom Fleck. Er lief ein paarmal wütend hin und her. Wie lange brauchte es, einen Trauergottesdienst
abzuhalten und einen alten Mann auf einer Tür zu beerdigen? Er ahnte, dass er nicht mehr viel Zeit hatte.
Das Laufen beruhigte ihn. Allons, André, mahnte er sich, |184| du hast dich immer auf deinen Kopf verlassen können. Also denk nach! Es gab eine Lösung. Es gab immer eine. Er griff in seine
Jacke, um nach seiner Uhr zu sehen. Da stießen seine Finger auf die Einkäufe aus der Apotheke.
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Er richtete sich auf. Betrachtete noch einmal die ihn umgebenden Mauern. Bückte sich und hob eines der Kohlestückchen auf.
***
«Gehen wir nach oben in die Küche?», fragte Marie-Provence.
«Nein.» Guy de Serdaine schüttelte den Kopf. «Ich möchte in der Nähe bleiben.» Sie waren beide vor den Keller getreten; drinnen
hörten sie die Männer vor Anstrengung ächzen. «Nun, ma petite, was ist?»
«Ich möchte, dass du ihn freilässt.»
Der Blick ihres Vaters verdunkelte sich. «Also doch. Ich habe dir doch gesagt, dass wir in der Gruppe darüber reden.»
«Die Gruppe bist du. Sie tun, was du sagst.»
Er schüttelte den Kopf. «Wir werden über Levallois richten, und dann …»
«Ihn richten?», rief Marie-Provence. «Er hat doch nichts getan!»
«Er hat uns aufgelauert. Und er bringt uns in Gefahr.»
«Vater, André Levallois ist ein aufrichtiger Mann, der nichts davon hat, uns zu verraten!»
«Was weißt du denn schon über ihn? Er ist ein Bürgerlicher, und es geht ihm finanziell gut, wie ich an der
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