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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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eigentlich mit deinem Georges?», fragte ein weiterer Gast am selben Tisch spöttisch, während er genüsslich seinen
     vollen Bauch herausstreckte. «Ist er wieder aufgetaucht? Hat ja ziemlich viel Rummel im Dorf verursacht, euer kleiner Streit,
     damals!»
    Rosanne warf das Besteck auf die Teller. «Ich weiß nicht, wo er ist. Und ich will es auch nicht wissen.»
    «Immer noch böse auf ihn?» Der Mann lachte auf. «Mein Gott, sind die Weiber nachtragend!»
    Rosanne würdigte ihn keines Blickes. «Ich hole das Wechselgeld.»
    Als ihre zwei Gäste gegangen waren, brodelte es noch immer in ihr. Was für eingebildete Kerle! Zornig stellte sie die Teller
     in das Waschbecken. Sie wusste sehr wohl, dass ihre Kochkunst nicht an die ihres Mannes herankam. Aber sie hatte auch viel
     von ihm gelernt. Und sie war sich sicher, dass das, was sie ihnen heute vorgesetzt hatte, hervorragend gewesen war. Bis auf
     die fehlenden Erbsen.
    Bei dem Gedanken an die Erbsen warf sie einen Blick auf den Topf, der über dem Feuer hing. Der Speiseraum war leer − jetzt
     konnte sie die Suppe nach oben bringen. Sie |198| nahm eine saubere Schale und eine Kelle. Der feine Dunst, der aus dem Topf stieg, als sie den Deckel lüftete, ließ sie lächeln.
     Wie lecker es roch! Ihr bestes Gemüse und sogar ein wenig mageres Ochsenfleisch hatte sie hineingegeben. Sie füllte die Schale,
     legte den Deckel zurück, griff nach einem Löffel und schlug den Weg ins Krankenzimmer ein.
     
    Der Dachraum, der unter den moosigen Ziegeln der Kirche lag, war winzig und bot gerade einmal Platz für zwei schmale Liegen,
     einen Hocker und eine Truhe. Er schmiegte sich an das Hauptschiff, von dem ihn nur die Gewölbewand trennte, war eisig im Winter
     und glühend heiß im Sommer. Jetzt allerdings, da der Regen auf die alten Ziegel und das handgroße Dachfenster klopfte, war
     er wohltemperiert und strahlte Behaglichkeit aus.
    Rosanne trat behutsam ein. Als sie bemerkte, dass die Augen des Mannes geschlossen waren, stellte sie die dampfende Schale
     auf dem Boden ab und zog sich den Hocker herbei. Sie betrachtete den Kranken mit Genugtuung.
    Als sie ihn zum ersten Mal erblickt hatte, hatte sie ihn für tot gehalten, und er hatte gestunken wie eine Kanalratte. Rosanne
     lächelte. Die Erbsen, ja   … Die zertretenen Erbsen waren es, die Rosanne stutzig gemacht hatten. Sie war über ihr zerstörtes Gemüsebeet entsetzt gewesen.
     Erst hatte sie gedacht, ihr wollte einer übel mitspielen, doch dann fiel ihr auf, dass man vom Beet aus hervorragend den Seitenausgang
     der Kirche beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden.
    Natürlich war ihr erster Gedanke Georges gewesen. Sie hatte bereits einmal das Gefühl gehabt, beim Einkaufen seinen Schatten
     in einer Einfahrt gesehen zu haben. Ob er ihr hier auflauerte? Voller Sorge war sie zur Falltür gelaufen, wo sie die Geißblattranken
     verschoben gefunden hatte. Im festen Glauben, Marie-Provence, ihre Mutter und die Mitbewohner schwebten in Gefahr, hatte sie
     die Falltür aufgerissen und war die Stufen hinuntergeeilt. Weit war sie allerdings nicht gekommen. Der Gang war völlig überschwemmt
     gewesen. |199| Schwarzes Wasser reichte bis an die Stufen, allerlei Treibgut hatte sich darum versammelt: Hölzer, ein totes Tier, schmutziggelbe
     Strohfäden – und ein langes Brett. Nein, eine Tür. Zwei Körper hatten daraufgelegen.
    Rosanne atmete tief ein. Noch immer hallte etwas von dem Grauen nach, das sie überfallen hatte, als sie einen leblosen Fuß
     unter dem Zipfel des verschnürten Tuchs entdeckt hatte. Wahrscheinlich würde sie der Anblick noch lange verfolgen. Sie hatte
     schon weglaufen wollen, ohne sich um den zweiten Körper zu kümmern, überzeugt, eine weitere Leiche vor sich zu haben. Aber
     gerade als sie einen Schritt zurückgewichen war, hatte sich die vermeintliche Leiche bewegt.
    Rosannes Blick glitt über die Züge des Unbekannten. Er war ein gutaussehender Mann, das erahnte man, obwohl er so geschunden
     war. Inzwischen hatten seine Albträume nachgelassen. Sie berührte dessen Arm. «Citoyen? Ich habe dir etwas Suppe mitgebracht.
     Du musst etwas essen, um gesund zu werden.» Gespannt wartete sie auf eine Reaktion. Anfänglich war der Mann mehr tot als lebendig
     gewesen. Er hatte die Finger derart auf dem Holz verkrampft, an dem er hing, dass sie sie behutsam mit einem flachen Messer
     hatte lösen müssen. Ihn des Nachts aus dem Geheimgang und bis in die Kirche zu zerren, hatte

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