Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
an.«
    »Verstanden.« Belknap staunte über diesen Mann. Ein die Welt bereisender Chorleiter: die perfekte Tarnung – allerdings wofür? Lydgate hatte keine Andeutungen gemacht, aber Belknap konnte es sich denken. Er wusste von ehemaligen Kollegen, die ihre Dienste Konzernen anboten, um ihnen behilflich zu sein, Filialen und Tochterunternehmen in Weltregionen zu gründen, in denen Recht und Gesetz nicht gerade auf dem Vormarsch waren.
In Regionen, in denen die Kenntnis der dortigen Verhältnisse, die ein erfahrener Geheimdienstler besaß, wertvoll sein konnte. Solche Tätigkeiten nach dem Ausscheiden aus dem Dienst wurden von den Spionagechefs inoffiziell geduldet, wenn gewisse Grenzen nicht überschritten wurden. »Verstanden«, wiederholte Belknap.
    »Verstehen müssen Sie auch noch etwas anderes.« Garth sprach mit leisem Grollen in der Stimme, und sein Blick war streng geworden. »Sollten Sie sich verbrennen, brauchen Sie nicht zu mir zu kommen. Weil ich Sie nicht kennen würde.«
    Belknap nickte ernst, dann wandte er sich ab und sah wieder aus dem Fenster. Der Himmel war leuchtend blau; die Bürger dieses sonnenarmen Landes hielten sich im Freien auf, um möglichst viel Sonne aufzusaugen, als lasse sie sich speichern und in den langen, dunklen Wintermonaten in Raten abrufen. Hier gab es Schönheit und Lebensfreude und Geschichte. Aber diese langen, dunklen Monate bildeten zugleich einen idealen Nährboden für Händler des Todes, für Männer, deren Geschäfte im Dunkel florierten und die von dem Zusammentreffen zweier unausrottbarer menschlicher Wesenszüge profitierten: Gewalt und Habgier.
     
    Ein dunkler Raum, in dem die einzige Lichtquelle der Flachbildschirm war. Das sanfte Klicken einer Tastatur, die flinken Fingern bereitwillig zu Diensten war. Lange Reihen von alphanummerischen Zeichen flossen von der Tastatur auf den Monitor und verschwanden in ungewöhnlich komplexen kryptografischen Algorithmen, bevor sie in fernen Ländern für weit entfernte Empfänger wieder entschlüsselt wurden. Nachrichten wurden gesendet und empfangen. Weisungen wurden erteilt und bestätigt.
    Digitale Befehle verschoben Geldbeträge von einem Nummernkonto aufs andere, zogen Fäden, die weitere Fäden ziehen würden, die ihrerseits andere Fäden ziehen würden.
    Genesis dachte wieder einmal über die klare Sprache der Computertasten nach: STEUERUNG. POWER.
    Aber auch OPTION. Und natürlich UMSCHALTEN.
    Den Gang der Geschichte zu ändern würde mehr als nur einen Tastendruck erfordern. Aber durch eine Serie von Tastenbefehlen  – die richtigen Befehle, zur rechten Zeit erteilt – ließ sich dieses Ziel voraussichtlich erreichen.
    Es würde lange dauern, bis das Ergebnis feststand. Sehr lange. Tatsächlich sogar sehr, sehr lange.
    Vielleicht sogar bis zu zweiundsiebzig Stunden.
     
    Über vierzig Prozent der Einwohner Tallinns waren Russen – eine Folge der Sowjetherrschaft. Sie gehörten nicht nur der besitzenden Klasse an; Russen fanden sich auch in den ärmeren Bevölkerungsschichten. Ethnische Russen waren manchmal junge Punks mit Irokesenschnitt und Sicherheitsnadeln in den Backen; sie waren Kellner in Restaurants und Dienstmänner auf Bahnhöfen; sie waren Ärzte, Bürokraten und Geschäftsleute. Mehr als eine Handvoll waren ehemalige Apparatschiks, die Estland als malerische Provinz eines rechtmäßigen russischen Imperiums betrachteten, und manche – wie der Mann, den Belknap hier aufsuchen wollte – waren verabschiedete KGB-Offiziere, die früher in Tallinn stationiert gewesen waren und es vorzogen, auch ihren Ruhestand in dieser angenehmen Umgebung zu verbringen.
    Gennadi Tschakwetadse war ein ehemaliger KGB-Mann georgischer Abstammung, der hauptsächlich in Moskau aufgewachsen war und zwanzig Jahre lang in der KGB-Residentur Tallinn gearbeitet hatte. Er hatte als Postzensor angefangen, ein bescheidener Posten, wie er jemandem zustand, der nur an einem Provinztechnikum studiert und kaum Verbindungen zur Nomenklatura hatte. Er hatte ein schwammiges Bauerngesicht: eine Knollennase, die Backenknochen unter einer Fettschicht kaum sichtbar, weit auseinanderstehende Augen, leicht fliehendes
Kinn. Aber nur Toren unterschätzten ihn wegen seines Auftretens und seiner Erscheinung. Er blieb nicht lange in der Abteilung Postzensur.
    Belknap lernte ihn im Kalten Krieg kennen, der die Welt spaltete. Sie hatten auf verschiedenen Seiten gestanden. Aber schon damals hatten die Großmächte gemeinsame Feinde: Terrorismus

Weitere Kostenlose Bücher