Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
Schalterbeamter zur Pass- und Zollkontrolle sah Belknap sofort, dass Garth nicht übertrieben hatte. Um ihn herum wimmelte es von Hunderten von Ausländern, die mit voll besetzten Maschinen angekommen waren: viele mit Notenbüchern unter dem Arm, die meisten mit der unverkennbaren Jovialität von Chorsängern. Belknap sah auf den ersten Blick, dass die Zollbeamten keinen ernsthaften Versuch machten, die andrängenden Massen zu kontrollieren; Tyler Cooper, anscheinend ein Mitglied des Empire State Chorus, wurde nach einem flüchtigen Blick in seinen Reisepass im Prinzip durchgewinkt.
    »Dass wir das geschafft haben, grenzt an ein Wunder«, erklärte Clavin Garth ihm, während er seine Truppe an der Bushaltestelle sammelte, »aber wir haben im Hotel Reval in Hafennähe ein Zimmer für Sie bekommen.«
    »Oh, vielen Dank«, sagte Belknap.
    Auf der Busfahrt ins Hotel saß Garth neben Belknap. »Wir hatten anfangs im Hotel Mihkli reserviert, aber dort wohnen schon die Letten, und die sind Killer«, erzählte er in seiner lauten,
geschwätzigen Art. »Ich wollte mir keine Sorgen wegen unerwünschter Zuhörer machen müssen, wenn meine Leute ihre Stücke proben. Ich schwöre Ihnen, Sie haben keine Vorstellung davon, zu welchen Tricks und Täuschungsmanövern die Chorsänger aus den baltischen Staaten notfalls greifen. Die kippen einem Salpeter in den Tee, wenn sie glauben, dass ihnen das im Wettbewerb einen Vorteil verschafft. Man kann gar nicht vorsichtig genug sein.«
    Belknap, der weiter aus dem Busfenster blickte, sah die Windparks der üblichen Stadtrandbebauung weichen: Tankstellen, Lagerhallen, große Öl- und Gasspeicher. »Klingt ziemlich unerfreulich«, murmelte er.
    Einige Zeit später kam die Altstadt von Tallinn in Sicht: eng zusammengedrängte Barockgebäude mit roten Ziegeldächern, Türme und Kirchtürme, das alte Rathaus und Cafés mit blauen oder roten Markisen. Über einer Bar hing ein Union Jack, eine englische Fahne; unter dem Schild NIMETA BAAR stand auf der großen Scheibe neben dem Eingang in Kursivschrift Jack Lives Here . Ein schwacher Versuch, an der hierzulande einsetzenden Anglophilie zu partizipieren. Das war ein weiteres Beispiel für ein Phänomen, das in Regionen, die sich rasch entwickelten, häufig auftrat: Nostalgie ohne Erinnerung.
    »Sie können sich das gar nicht vorstellen, Tyler«, sagte Garth mit seiner durchdringenden nasalen Stimme, wobei er mit den Händen gestikulierte. »Die hässliche Unterseite der Welt des Gesangs. Ich kenne Geschichten, die Sie schockieren würden!«
    Die junge Frau hinter ihnen stand auf und setzte sich einige Reihen weiter vorn zu einer Freundin. Belknap fragte sich, ob sie – vor allem nach dem anstrengenden Flug – von der Stimme des Chorleiters ebenso Kopfschmerzen bekam wie er.
    »Tatsächlich?«, fragte er.
    »Es ist wirklich besser, wenn Sie gar nicht wissen, wozu manche dieser Leute imstande sind. Aber ich muss immer wieder zur
Vorsicht mahnen, wenn ich mit meinen Sängern rede. Ich hasse es, den ständig Aufpasser spielen zu müssen, aber das Risiko, wissen Sie, das Risiko!«
    Belknap nickte ernst. Im Tonfall des anderen lag etwas, das ihn fast vermuten ließ, der Chorleiter wolle ihn auf den Arm nehmen. »Ich bin Ihnen wie gesagt sehr dankbar, dass ich mich Ihnen anschließen durfte. Sehr hilfreich, wenn wir daran denken, unser Kulturaustauschprogramm neu zu gestalten …«
    Garth sah sich um, bevor er antwortete. »Tertius hat mich gebeten, Ihnen zu helfen, wo ich kann«, sagte er ruhig. Er sprach jetzt mit völlig veränderter Stimme, ohne die singenden Vokale, die übertriebene Munterkeit, die starken Zischlaute, die seine Redeweise bisher geprägt hatten. Seine Hände waren still, sein Gesicht ausdruckslos. Diese Verwandlung war verblüffend.
    »Das weiß ich zu schätzen.«
    Garth beugte sich etwas zu ihm hinüber, als mache er ihn auf eine Sehenswürdigkeit aufmerksam. »Weiß nicht, was Sie vorhaben, will’s auch nicht wissen.« Wieder sprach er mit leiser, rauer Stimme. »Aber Sie sollten einige Dinge beachten. Wie man vermuten würde, ist der estnische Geheimdienst von den Sowjets aufgebaut und organisiert worden. Heutzutage ist er im Prinzip eine Aufziehuhr ohne Schlüssel. Zu wenig Geld, zu wenig Personal. In Acht nehmen müssen Sie sich vor der NSP, der Nationalen Sicherheitspolizei. Finanziell besser ausgestattet und wegen ihres Kampfs gegen das organisierte Verbrechen auch aggressiver. Legen Sie sich auf keinen Fall mit ihr

Weitere Kostenlose Bücher