Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Belknap begriff plötzlich, woher ihr leicht verschämter Gesichtsausdruck kam. Dies war eine Frau, die sich in der Öffentlichkeit nur verschleiert zeigen würde. Dass sie Gesicht
und Haar sehen ließ, war für sie und ihn in gewisser Weise eine Übertretung, wie es ein Aktfoto gewesen wäre. »Wir waschen eure schmutzigen Bettlaken und putzen die Toiletten und räumen die Monatsbinden eurer Frauen weg, ja, das alles tun wir und lächeln dabei sogar. Aber verlangen Sie nicht, dass uns das Spaß macht. Lassen Sie uns wenigstens diesen Rest Würde.«
»Danke für die fatwa . Aber ich brauche die Namen.«
»Die weiß ich nicht.«
»Dann den Namen von jemandem, der Bescheid weiß. Sie sind ein Profi, Ibrahim. In diesem Haus geht nichts vor sich, was Sie nicht herauskriegen können.«
Hafiz seufzte. »Einer unserer Pagen dürfte es wissen.« Er tippte auf seinem Telefon die Nummer einer Nebenstelle ein. »Conrad«, sagte er. »Kommen Sie in mein Büro.« Auch diesmal ließ er sich seinen Widerwillen deutlich anmerken. Bestimmt gehörte Conrad zu den europäischen Angestellten, die ihm die ausländischen Eigentümer des Hotels aufgezwungen hatten. Hafiz ordnete ihn offenbar in dieselbe Kategorie wie schmutzige Bettwäsche und gebrauchte Monatsbinden ein.
Aus dem Telefonlautsprecher kam eine irische Stimme: »Bin gleich da.«
Conrad war ein schmächtiger, junger Mann mit rot gelocktem Haar und einem allzu raschen Lächeln. »Jo, Bram«, sagte er zu Hafiz und tippte dabei mit zwei Fingern lässig an seine Pagenkappe.
Hafiz ignorierte diesen spöttischen Salut. »Ich möchte, dass Sie die Fragen dieses Herrn beantworten«, wies er den Pagen streng an. »Ich lasse Sie jetzt mit ihm allein.« Er verließ mit einer angedeuteten Verbeugung den Raum.
Während Belknap ihn befragte, kam und verschwand Conrads Lächeln unsympathisch rasch. Sein Gesichtsausdruck wechselte von ratlos und sorgenvoll zu verschwörerisch und lasziv – beides
gleichermaßen abstoßend, wie Belknap fand. »Was für ’ne Mieze hätten Sie denn gern, mein Freund?«, erkundigte er sich schließlich.
»Italienerin«, sagte Belknap. »Jung. Schwarzhaarig.«
»Du meine Güte«, sagte Conrad. »Sie sind verdammt wählerisch. Ein Mann, der weiß, was er will. Das muss man respektieren.« Aber er konnte sich Hafiz’ Rolle offenbar nicht recht erklären.
»Wissen Sie ein Mädchen, das diese Voraussetzungen erfüllt?«
»Nun …« Conrads Blick wurde berechnend. »Tatsächlich habe ich genau das, was Ihnen der Arzt verschrieben hat.«
»Wann kann ich sie sehen?«
Conrad sah kurz auf seine Armbanduhr. »Bald«, sagte er.
»Innerhalb einer Stunde?«
»Das ließe sich arrangieren. Gegen ein Entgelt. Denken Sie übrigens an eine Party, wollen Sie vielleicht auch ein paar Scherzartikel. Ecstasy, Koks, Sensimilla, was auch immer – Sie brauchen nur zu sagen, was Sie wünschen.«
»Sie ist jetzt im Hotel?«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Conrad, aber das war ein plumper Täuschungsversuch. Die Antwort lautete Ja.
»Welche Zimmernummer?«
»Wenn Sie einen flotten Dreier wollen …«
Belknap trat einen Schritt auf den kleinen Iren zu, packte ihn an den Aufschlägen seiner Livree und hob ihn einige Zentimeter hoch. So waren ihre Gesichter nur noch eine Handbreit auseinander. »Her mit der gottverdammten Zimmernummer!«, blaffte er. »Sonst lasse ich Sie von der hiesigen Polizei verhören. Haben Sie verstanden?«
»Jessas!« Conrad lief rot an, als er begriff, wo er hineingeraten war.
»Wollen Sie internationale Ermittlungen behindern, rate ich Ihnen, sich einen guten Anwalt zu nehmen. Und falls unsere hiesigen
Freunde Ihnen optional Skrotumelektroden anbieten, sollten Sie Ja sagen. Weil die Alternative noch viel schlimmer ist.«
»Vierzehn-fünfzig, Sir. Vierzehnte Etage, vom Aufzug aus links. Ich möchte nur, dass Sie mich aus diesem Scheiß rauslassen.«
»Rufen Sie oben an, um sie zu warnen?«
»Nach Ihrem Hinweis auf Skrotumelektroden? Eher nicht, Kumpel.« Ein gezwungenes Lachen sollte Nonchalance ausdrücken, vermittelte aber das genaue Gegenteil. »Das war das Zauberwort. Sehr drastisch.«
Belknap streckte nur eine Hand aus. »Generalschlüssel«, verlangte er.
Der Page rückte widerstrebend seine Schlüsselkarte heraus. Dann lungerte er noch in der für Dienstleistungsberufe typischen Art herum, als erwarte er ein Trinkgeld. »Skrotumelektroden«, sagte Belknap nur, als er sich an ihm vorbeidrängte.
Wenige Minuten später stand
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