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Die Bank im Park

Die Bank im Park

Titel: Die Bank im Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sekunden.
    Wahrlich eine Ewigkeit.
    Langsam ließ sich der kranke Dichter noch weiter auf die Bank zurückgleiten, bis er liegend zum Himmel zwischen den Zweigen hinaufblicken konnte. Er verschlang die Hände unter seinem Nacken, schloß dann die Augen, und der Sturm in seinem Inneren legte sich.
    Die Stille des Parks besänftigte sein Herz, der Duft der Blumen trug auch dazu bei. Das Rascheln der Blätter, das der leise Wind verursachte, ließ ein dankbares Lächeln in seinem Gesicht aufblühen über die einzige wahre Geliebte aller: die sich an jeden verströmende Natur.
    Zwei Jahre, in denen sich Frankreich durch seine Kunst würde wandeln können. Zwei Jahre, in denen der Dauphin Frankreich würde mehr lieben lernen können als die verblendeten Begriffe von Absolutismus und herrscherlicher Willkür. Zwei Jahre, in denen Alain Chartier unsichtbar – nur lebend durch seinen Geist – die Geschicke Frankreichs würde mit lenken können. Zwei Jahre, die alle Wonnen des Lebens würden trächtig werden lassen können wie überreife Früchte, die auf der schmeckenden Zunge zergingen. Oder gar drei Jahre!
    Alain Chartier schreckte auf.
    Was sind das für Gedanken, fuhr es ihm durch den Kopf. Ich wollte doch von alldem gar nichts wissen, habe es weit von mir gewiesen. Bin ich verrückt?
    Aber das Schicksal hatte schon begonnen, wirksam zu werden.
    Und immer schwerer senkte sich der Duft der Blumen auf des Dichters Sinne und fing an, diese in seine Gewalt zu bekommen, sie zu betäuben. Die Stille des Parks tat ihr übriges. Das Rascheln der Blätter wurde zum einschläfernden Säuseln. Die Sonnenstrahlen ersetzten mit ihrer Wärme eine Decke. Dies alles zusammen erzielte ein unvermeidliches Resultat:
    Auf einer Bank im Park schlief Alain Chartier …
    Margarete von Schottland, die Dauphine, hatte es sich in den Kopf gesetzt, diesen sonnigen Mittag zu einem Spaziergang im Bois de Boulogne auszunützen. Als sie dies verlauten ließ, kam die Wirkung davon einer Bombe gleich, die im Schloß einschlug. Das hatte es noch nie gegeben. Der ganze Hofstaat geriet in hellste Aufregung. War die Dauphine wahnsinnig geworden? Was hatte sie da gesagt? Sie wollte in den Bois de Boulogne? Zu Fuß? Nicht in einer Equipage? Ohne Zweifel, ihr Verstand mußte plötzlich in Verwirrung geraten sein.
    Die Haushofmeisterin erstarrte, als ihr die Kammerzofe der Dauphine die ungeheuerliche Nachricht überbrachte.
    Zwei der ältesten Hofdamen fielen in Ohnmacht, nachdem sie, obwohl in ganz verschiedenen, weit voneinander abliegenden Zimmern weilend, in völlig gleichen Worten ihr Entsetzen zum Ausdruck gebracht hatten – nämlich so: »Das kann nur die niederen Stände aufwiegeln!«
    Ein ausgedienter Hofmarschall erklärte zornbebend seiner Frau, daß auf solche Ideen nur ein Weib kommen könne.
    Die Marquise de Routivières fühlte sich ihrem Ende nahe. Sie war die Leiterin der Zeremonien und wußte, daß es vor allem ihre Aufgabe war, einen solchen öffentlichen Skandal zu verhindern. Aber wie?
    Mit der Dauphine war nicht gut Kirschen essen, wenn man sich ihr entgegenstellte. In ihrer Not alarmierte die Marquise de Routivières ihren Beichtvater und drohte ihm ihren Kirchenaustritt an, wenn er sich weigere, seinen ganzen sofortigen Einfluß geltend zu machen.
    Der Seelenhirte war verwirrt.
    »Welchen Einfluß?« fragte er die Marquise.
    »Den auf die Dauphine.«
    »Auf die Dauphine?«
    »Ja, verdammt noch mal!« fluchte die Gräfin. Das zeigte, in welchem Zustand innerer und äußerer Zerrüttung sie sich befand. Geflucht wurde nämlich von ihr nur noch im Ehebett, wenn sich herausstellte, daß ihr Gatte seine Kräfte wieder einmal bei einer seiner beiden Mätressen gelassen hatte.
    »Meinen Einfluß auf die Dauphine?« fragte also der Priester noch einmal und setzte gleich selbst hinzu: »Einen solchen gibt es nicht.«
    »Warum nicht?« fauchte die Marquise.
    »Ich will mal so sagen: Die Entfernung zwischen Glasgow oder Edinburgh und Rom ist größer als die zwischen Paris und Rom. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Die edle Marquise sah ihre Hoffnung zerschlagen.
    »Verschwindet, Pfaffe, unnützer!« fiel sie gänzlich aus ihrer Rolle.
    Irgendein Hofschranze nahm zum Dauphin selbst eine Zuflucht. Er berichtete ihm, was sich in den Gemächern der hochedlen Gemahlin zusammenbraute. Der Dauphin jedoch schien plötzlich auch dem Wahnsinn verfallen zu sein. Er schmunzelte, schnippte mit den Fingern – allein schon diese Geste des gemeinen Volkes!

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