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Die Bank

Die Bank

Titel: Die Bank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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verloren. Mom stöberte in einem der Billigläden und überlegte angestrengt, was sie sich zurücklegen lassen wollte. Charlie versuchte alles, um in einem Geschenkeladen an den Erotikkerzen zu riechen, die für Kinder verboten waren. Ich sollte auf ihn aufpassen, aber als ich mich umdrehte, um ihm Spielkarten mit Nacktbildern zu zeigen, war er plötzlich verschwunden. Mir war sofort klar, daß er sich nicht versteckte oder in eine entlegene Ecke des Ladens spaziert war.
    Fünfundzwanzig Minuten lang lief ich von Geschäft zu Geschäft und rief seinen Namen. Bis ich ihn in einem Laden fand, in dem es nur Süßigkeiten zu kaufen gab. Er stand da und leckte die Scheibe ab. Ich hatte einen stechenden Schmerz in der Brust, doch das war nichts im Vergleich zu dem Gefühl, das ich nun empfinde.
    »Kann ich Ihnen helfen?« fragt mich der Sicherheitsbeamte am Empfang. Es ist ein älterer Mann mit einer Uniform und weißen orthopädischen Schuhen. Willkommen im Wilshire Wohnpark in North Miami Beach. Hierhin kann man sich in einem Notfall flüchten.
    »Ich möchte meine Großmutter besuchen«, sage ich und knipse meine Braver-Enkel-Stimme an.
    »Tragen Sie hier Ihren Namen ein.« Er deutet auf das Besucherbuch. Ich kritzle etwas Unleserliches und überfliege dabei rasch alle Unterschriften auf der Seite. Keine davon gehört Charlie. Trotzdem, wir sind dieses Szenario ein dutzendmal durchgegangen. Falls wir uns aus den Augen verlieren sollten, wollten wir dorthin gehen, wo es sicher ist. Unter »Bewohner« trage ich ein »Großmutter Miller.«
    »Sie sind also Dottys Enkel?« Er taut plötzlich auf.
    »Ja, Dottys Enkel.« Ich eile in die Eingangshalle. Natürlich ist das eine Lüge, aber ich bin trotzdem nicht fremd hier. Meine Großmutter Pauline Balducci hat beinah fünfzehn Jahre hier gelebt. Vor drei Jahren ist sie hier gestorben, was der Grund dafür ist, daß ich den Namen ihrer alten Nachbarin benutze, um hereinzukommen.
    Ich ziehe Gillian am Arm durch die Lobby, gehe an den Aufzügen vorbei und folge den Ausgang-Schildern durch den verwinkelten Korridor, in dem es nach Chlor riecht. Vor uns liegt der Pool. Mom hatte uns für eine schöne Zeit mit unserer Grandma-Familie hierhergeschickt. Doch statt Spaß zu haben, verbrachten wir zwei Wochen mit Wasserkämpfen, atemberaubenden Wettstreiten und jeder Menge Beschwerden des Personals der Wohnanlage. Angeblich würden wir zu laut tauchen, was immer das heißen mochte.
    Als Gillian und ich nun hinaustreten, sind zwei Geschwister vollkommen in ein Spiel vertieft. Der Junge schließt die Augen und ruft »Marco!« und das Mädchen »Polo!«. Wenn er näher kommt, hüpft sie die Stufen hinauf, rennt um den Pool und springt wieder hinein. Das ist ein himmelschreiender Betrug. Und genau dasselbe hat Charlie immer mit mir gemacht.
    »Oliver, wo …?«
    »Warte hier.« Ich deute auf einen freien Liegestuhl.
    Neben dem Pool liegt ein Großvater in einem weißen Hemd, weißen Shorts und bis zu den Knien hochgezogenen weißen Socken und studiert aufmerksam einen Wettschein vom Pferderennen. »Entschuldigung, wenn ich Sie störe, Sir, könnte ich vielleicht Ihren Schlüssel zum Clubhaus ausleihen?« spreche ich ihn an. »Meine Großmutter hat ihren mit hinaufgenommen.«
    Er sieht von der Zeitung hoch. Seine Augen sind zwei schwarze Knöpfe. »Zu wem gehören Sie?«
    »Dotty Miller.«
    Er mustert mich einmal von Kopf bis Fuß und zieht dann den Schlüssel aus der Tasche. »Bringen Sie ihn aber gleich zurück!«
    »Natürlich, Sir, sofort.« Ich nicke Gillian zu, und sie folgt mir über einen Weg, der von Bäumen beschattet wird. Sie verbergen das Clubhaus vor neugierigen Blicken. Ich lasse sie herein und bringe Mr. Schwarzfuß die Schlüssel wieder. Dann kehre ich zu Gillian zurück.
    Das Clubhaus ist noch genauso, wie wir es vor Jahren verlassen haben. Es hat zwei einfache Duschräume, eine kaputte Sauna und ein paar angerostete Gymnastikstangen. Das Haus war als sozialer Treffpunkt geplant, wo sich die älteren Bewohner miteinander anfreunden sollten, doch es wurde schon damals so gut wie nie benutzt. Wir könnten Tage hier verbringen, ohne daß uns jemand stören würde.
    Gillian setzt sich auf das rote Plastikpolster einer Liege. Ich werfe einen kurzen Blick auf die verspiegelte Wand und lehne mich dann in der Hocke dagegen.
    »Oliver, bist du sicher, daß er hierherkommt?«
    »Wir haben das tausendmal durchgesprochen. Als wir klein waren, haben wir uns immer in der Sauna versteckt

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