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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Vielleicht nicht Sie persönlich, aber andere …«
    »Ist das der Grund für Ihr Fernbleiben vom Gottesdienst?«
    »Nein, es gibt andere Gründe, die ich Ihnen aber nicht nennen werde.«
    »Sie hatten doch immer ein festes Zeugnis vom Evangelium, zumindest hatte ich den Eindruck bei Ihnen. Hat sich da etwas geändert?« fragte Schneider ernst.
    »Wenn es so wäre, was dann? Aber keine Angst, noch habe ich mein Zeugnis nicht gänzlich verloren. Ich habe es nur ein bißchen auf Eis gelegt«, sagte David ehrlich.
    »Das sollten Sie nicht tun. Sie wissen schon so viel über Gott und Jesus Christus, daß man ein Zeugnis nicht einfach auf Eis legen kann. Gott läßt nicht mit sich spielen …«
    »Wer sagt denn, daß ich mit Gott spiele?« fragte David spöttisch. »Sie sind doch nicht gekommen, um mich über mein Verhältnis zu Gott zu belehren, oder?«
    »Nein, das nicht, es tut mir nur um jede Seele weh, die sich abwendet vom wahren Glauben. Jedes getaufte Mitglied sollte regelmäßig vom Abendmahl nehmen, jeder sollte regelmäßig die Versammlungen besuchen und dadurch Gott seine Liebe bekunden. Sie sind immer ein guter Lehrer gewesen, und Ihre Ansprachen waren inhaltsreicher als die der meisten anderen. Sie fehlen der Gemeinde wirklich.«
    »
Mir
fehlt aber die Gemeinde nicht. Im Augenblick zumindest.«
    »Dann lassen Sie uns helfen, dazu sind wir schließlich da, daß jeder des anderen Last mittrage. Wir erschweren uns das Leben unnötig, wenn wir versuchen, es ohne Gott zu leben. Und außerdem sollten Sie Ihre liebe Frau nicht allein lassen.«
    »Hören Sie zu, Bruder Schneider, ob mit oder ohne Gott, mein Leben ist beschissen, auch wenn Sie dieses Wort nicht mögen! Wo war denn dieser Gott, als man Thomas zusammengeschlagen hat, wo war denn Gott, als wir immer tiefer in den Sumpf gezogen wurden und schließlich hier gelandetsind? Sie haben ja nicht den Schimmer einer Ahnung, was in letzter Zeit alles vorgefallen ist.« Er spie seine Worte abfällig aus. »Wissen Sie, ich frage mich schon lange, und ich habe auch mit meiner Frau darüber gesprochen, ob dieser Gott nicht ein sehr anspruchsvoller und wählerischer Genosse ist. Seit wir hier wohnen, sind Sie die ersten Brüder, die mich besuchen kommen. Keiner hat sich bis jetzt hergetraut. Abschaum muß schließlich selber klarkommen! Ist es nicht so?«
    »Mag sein, daß Sie recht haben«, sagte Schneider mit säuerlicher Miene und faltete die Hände, »aber Sie suchen die Schuld ja selbst bei den anderen …«
    »Tu ich das? Aber bitte, wenn wir schon dabei sind – ich bin zu der Überzeugung gelangt, daß an keinem Ort der Welt so viel geheuchelt wird und so viele leere Phrasen gedroschen werden wie in der Kirche. Manchmal könnte man direkt meinen, die Leute haben sich selbst einen Heiligenschein verliehen! Aber ich habe es durchschaut, dieses bigotte Gehabe, diese schönen Reden, die nichts als Fassade sind! Wenn es zu spät ist, dann kommen Sie. Sie kommen, wenn Sie meinen, eines Ihrer Schäfchen könnte Ihnen durch die Lappen gehen! Auch wenn ich nicht mehr viel zu bieten habe, im Gegensatz zu früher, wo ich durch meine Spenden doch ganz wesentliche Beiträge geleistet habe. Ich habe das Gefühl, Ihnen kommt es eher auf den sozialen Stand des einzelnen an und weniger auf seine Seele …«
    »Sie sind ungerecht, Bruder Marquardt.«
    »So, ungerecht? Wo haben Sie denn Ihren Mercedes stehen, doch nicht in dieser Straße?! Es könnte ja immerhin sein, daß irgendein verkommenes Subjekt sich daran zu schaffen macht. Und hier leben ausschließlich verkommene Subjekte, Junkies, Säufer, Huren, Betrüger, Einbrecher, Diebe, Vergewaltiger, Mörder. Das ist doch genau das, was in den Köpfen derer rumspukt, die nicht von hier sind!« David schaute zu Boden und seufzte auf. »Es ist die Verlogenheit,die verdammte Verlogenheit, die ich anprangere, und sonst nichts!«
    »Gut«, sagte Bruder Schneider und beugte sich nach vorn, »wenn Sie die Verlogenheit anprangern, warum tun Sie das dann nicht öffentlich? Warum verkriechen Sie sich, anstatt Ihren Unmut zu bekunden? Sie waren doch sonst nie auf den Mund gefallen.«
    David stand auf und stellte sich ans Fenster, durch das die heiße Sonne in breiten Bahnen drang. Er steckte die Hände in die Taschen und sagte: »Sicher war ich noch nie auf den Mund gefallen, aber hat sich je irgendwer was draus gemacht? Sagen Sie mir, wo ist Gott, wenn uns all das Unglück widerfährt? Sie haben mich übrigens gar nicht gefragt, wo meine

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