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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Tränen von der Anstrengung ab, fuhr sich mit der Bürste durchs Haar, putzte die Zähne und zog eine frische Hose an. Bevor er das Bad verließ, hielt er die Luft an, eilte an dem bestialisch stinkenden Paket vorbei in die Küche, holte einen Plastikbeutel, atmete aus und tief wieder ein, nahm das Päckchen zwischen seine Fingerspitzen und verstaute es in der Tüte. Er nahm die Schlüssel vom Haken und schloß die Tür hinter sich ab und übersprang jeweils zwei Stufen auf dem Weg nach unten. Die Mülltonnen quollen wieder einmal über, er stellte die Tüte mit dem ekelerregenden Inhalt zu all den anderen Tüten und Säcken neben der riesigen grünen Tonne. Fliegen schwirrten durch den Müll, ein durch die Hitze kaum erträglicher Gestank erfüllte die Luft.
    Dieses verdammte Dreckschwein! David ballte in ohnmächtiger Wut die Fäuste. Warum tat er ihm das an? Welche Gemeinheiten hatte er noch auf Lager? Welch perversesHirn dachte sich solche Sauereien aus? Es mußte doch ein Perverser sein, einer, der Freude daran hatte, andere zu quälen! Dieses Schwein gehörte in eine geschlossene Anstalt, und zwar für den Rest seines Lebens.
    Mit diesen Gedanken stieg David in sein Auto, den Zettel hinter der Windschutzscheibe bemerkte er erst jetzt.
Na, hast du meine duftende Botschaft erhalten? Du bist genauso ein Stück Scheiße!
David zerknüllte den Zettel und warf ihn auf den Boden. Er startete den Motor und raste mit quietschenden Reifen vom Parkplatz. Es gab tausend Gründe, diese Hölle zu verlassen, und jeden Tag kamen mehr hinzu.

Dienstag, 20.00 Uhr
    Esther wartete am verabredeten Treffpunkt. Sie sah schon aus der Ferne zauberhaft aus, die goldenen Fäden ihres Haares mit einer Feenschleife gebunden, stand sie an einem alten Wasserspeier neben der Kirche. Er erkannte das Strahlen in ihren Augen, als er noch fünfzig oder sechzig Meter entfernt war, spürte ihre Ungeduld, die auch die seine war, beschleunigte seine Schritte, geleitet auf den unsichtbaren Bahnen, die ihre Blicke ihm bereiteten. Noch stand die Sonne in einem 50°-Winkel am Himmel, noch zeigte das riesige Digitalthermometer an der Wand eines Bürohauses 32 °C an, noch gingen, liefen, rannten, schlenderten unzählige Beine über die breiten Gehwege, ein unentwegtes Reden und Schnattern, ein dicker Brei aus Lauten und Tönen, Straßenmusikanten spielten, und Skateboardfahrer zeigten ihre Kunststücke auf der eigens für sie aufgestellten Halfpipe. Als er vor ihr stand, spitzte sich ihr Kirschmund, und David ließalle Vorsicht außer acht und küßte diesen Mund, und zum Teufel, sollte die Welt doch denken, was sie wollte, er war und würde auf ewig ein freier Mann sein! Nach dem Kuß drehte er sich kurz um, nirgends erblickte er ein bekanntes Gesicht, er nahm Esther bei der Hand und fragte augenzwinkernd: »Kino?«
    »Kino!«
    Sie sahen sich den Film in einem winzigen Kino an, in dem außer ihnen beiden nur noch ein junges Pärchen drei Reihen hinter ihnen schmuste. Nach dem Film – Dunkelheit war über die Stadt hereingebrochen, doch die Straßen barsten noch immer vor Leben – holten sie sich ein Eis und bummelten über die breite Einkaufsstraße und besahen sich die hellerleuchteten Auslagen der Geschäfte, machten große Bogen um Zusammenrottungen finster aussehender Gestalten, und jedesmal wurde der Griff von Esthers Hand ein wenig fester und ließ erst nach, sobald sie wieder das Gefühl von Sicherheit hatte.
    »Meine Mutter war vorhin ganz schön wütend auf dich«, sagte sie, als sie am Auto anlangten. »Sie hat zwar nichts gesagt, aber an ihrem ganzen Gehabe hab ich’s gemerkt. Was, wenn sie morgen darauf besteht, daß du mit ihr schläfst?«
    David schloß die Autotür auf ihrer Seite auf und ließ Esther einsteigen – Johanna mußte fast immer warten, bis er eingestiegen war und die Verriegelung von innen betätigte! –, ging um den Wagen herum und öffnete seine Tür. Er setzte sich, kurbelte das Fenster herunter und steckte den Schlüssel ins Zündschloß.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er, der Motor sprang an. »Ich werde es nicht tun. Ich werde versagen, bewußt versagen. Wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Nein, nicht ganz«, erwiderte sie und zog ihre hohe Stirn in Falten und schnallte sich an.
    »Ich werde so tun, als würde ich …« Er stockte und verzogden Mund vor Verlegenheit, er war noch nie in der Lage gewesen, über intime Dinge in aller Offenheit zu sprechen, und gegenüber diesem Kind, diesem unbefangenen, naiven

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