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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Thomas, der Älteste, hatte sich schon vor einer halben Stunde verabschiedet, er wollte den Abend und wahrscheinlich auch die Nacht mit Freunden in verschiedenen Diskotheken verbringen.
    »So gegen Viertel nach zwölf. Ich weiß zwar nicht, ob sie mich heute schon irgendwo einsetzen werden, ich denke, ich werde erst einmal eingearbeitet.«
    »Und kann ich dich irgendwo erreichen, ich meine, falls mal irgendwas ist?«
    »Ich werde mir heute eine Nummer geben lassen, wo du mich notfalls erreichen kannst …«
    »So eilig ist das auch wieder nicht. Es wäre nur allgemein beruhigend,wenn du erreichbar wärst. Das ist alles.« Sie sah ihn aus ihren grünen, matten Augen an. Sie hielt die Tasse Tee zwischen den Händen und verdeckte damit den schmalen, blutleeren Mund. Er hatte diesen Mund schon lange nicht mehr richtig geküßt, dabei wußte er, wie sehnlichst sie darauf wartete, wieder einmal richtig in den Arm genommen zu werden, nicht wie eine Schwester von ihrem Bruder, sondern wie eine Geliebte von ihrem feurigen Liebhaber. Er erwiderte ihren Blick, glaubte, darin so etwas wie Resignation lesen zu können, Hoffnungslosigkeit, daß nichts, weder das Materielle noch das Verhältnis zwischen ihr und David, sich bessern würde. Und trotz allem stand sie zu ihm, murrte nicht, klagte nicht, forderte nicht. Sie war eine ergebene, das ihr zugewiesene Schicksal mit stoischer Ruhe tragende Frau, auch wenn er meinte, daß sie ihm dann und wann zumindest ein Teil Schuld an der Misere gab. Sie stellte die Tasse auf den Tisch und stand auf. Ihr Gesicht war wieder einmal verschwitzt, ein paar Haare hingen strähnig in die Stirn, sie war müde und abgespannt. Das war nicht mehr die Johanna früherer Tage, die unternehmungslustige Johanna, die Johanna der verrückten Einfälle, die offenbar nicht genug vom Leben bekommen konnte. Sie stand jetzt mit dem Rücken zu ihm an der Spüle, fragte, ob sie ihm noch etwas zu essen machen sollte, doch er schüttelte den Kopf und meinte, eine Banane würde als Proviant reichen. Er trank den Tee aus, stellte sich hinter sie, legte seine Arme um sie, das Kinn auf ihre ewig verspannte Schulter, sie ließ sich die Umarmung wohlig gefallen, er sagte: »Du arbeitest zuviel. Mach dir einen schönen Abend …«
    »Und die Bügelwäsche, wer erledigt die?«
    »Unterbrich mich nicht! Hör zu, setz dich ins Wohnzimmer, lies was, mach den Fernseher an oder leg dich früh schlafen. Ab heute wird alles anders! Wir werden’s schaffen, das schwör ich dir! Ich hasse dieses verdammte Haus, diese verdammten Nachbarn, diesen Gestank! Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich das alles hasse!«
    Sie drehte sich um. »Wenn ich’s denn wirklich glauben könnte …«
    »Ich könnte versuchen, noch einen Fernkurs zur Weiterbildung zu belegen … Ob ich jemals wieder eine Chance habe, eine Firma aufzubauen …?!«
    »Nein, bitte, hör auf damit! Aber ich, ich könnte vielleicht Heimarbeit annehmen. Manche Firmen zahlen gar nicht so schlecht …«
    »Jetzt mach aber mal halblang! Das hältst du nie durch.«
    »War auch nur so ’ne Idee«, sagte sie müde und streichelte sein Gesicht. »Ich liebe dich. Ich habe dir das lange nicht gesagt, aber es ist nie anders gewesen.«
    Es war einer dieser kurzen Momente, in denen er sich so unglaublich schäbig fühlte. Natürlich liebte sie ihn, sie mußte ihn lieben, wie sonst hätte sie diese harte, unmenschliche Zeit mit ihm durchstehen können?! Er erwiderte nichts, küßte sie kurz auf die salzig schmeckende Wange. Nathalie kam herein, sie war sehr blaß und wegen ihrer Periode heute auch nicht zur Schule gegangen, nahm sich wortlos eine Scheibe Wurst vom Teller und verschwand wieder. Er sah ihr nachdenklich hinterher.
    »Was denkst du?« fragte sie.
    »Nichts weiter, wirklich, nichts weiter.«
     
    Er verließ um Punkt halb acht die Wohnung. Setzte sich ins Auto, startete den Motor und fuhr langsam rückwärts aus der Parklücke. Auf der anderen Straßenseite zwei ausgebrannte Autowracks, der Bürgersteig neben den Autos von Glassplittern übersät. Johanna stand zusammen mit Nathalie am Fenster und winkte. Der Ritus des Winkens war so alt wie ihre Ehe, Johanna würde sicher auch dann noch winken, wenn sie beide alt und klapprig waren und sie die Arme kaum noch würde heben können. Er winkte zurück, legte den ersten Gang ein und gab Gas. Am Straßenrand lungerten eine Horde junger Männer und einige Mädchen, heruntergekommene,hoffnungslose Gestalten, Bier- und

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