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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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müssen und tun dürfen. Wir können euch nicht, wie du vielleicht denkst, unter Polizeischutz stellen, dazu sind ganz andere Voraussetzungen nötig. Aber wie gesagt, wir tun, was wir können, um zur Lösung der ganzen Angelegenheit zu kommen.«
    »Ich hätte mir denken können, daß ich von dir nicht mehr Hilfe zu erwarten habe. Mach’s gut und sieh zu, daß der Fall schnell aufgeklärt werden kann.«
     
    Am Sonntagnachmittag, kurz nachdem sie erneut von den Kriminalbeamten aufgesucht und mit unangenehmen Fragen belästigt worden waren, auf die sie keine Antworten hatten, besuchten David und Johanna Thomas im Krankenhaus. Sie mußten sich in einem Vorraum die Hände desinfizieren, Handschuhe und einen Kittel überziehen sowie einen Mundschutz umbinden. Er war noch immer bewußtlos, sein Kopf bandagiert, sein Gesicht unnatürlich weiß und verquollen, eine Maschine überwachte seinen Puls, eine andere seine Atmung, eine dritte seinen Blutdruck, ein Schlauch führte durch seine Nase in den Magen. Licht fiel in breiten Bahnen ins Zimmer, es war heiß und stickig, obgleich ein riesiger Ventilator sich schnell drehte. Er lag in einem Dreibettzimmer – drei Bewußtlose an piependen, kalten Apparaten. Ein junger, freundlicher Arzt begleitete David und Johanna.
    »Wie ist sein Zustand?« fragte Johanna leise.
    »Kreislauf und Atmung sind stabil. Wir gehen davon aus, daß er bald aus seiner Bewußtlosigkeit erwachen wird. Trotz der schweren Schädelverletzungen hat er Glück im Unglück gehabt, soweit wir das an den Gehirnströmen messen können.Auch wenn es sich für Sie dumm anhört, aber wir müssen einfach abwarten. Geduld ist jetzt alles.«
    »Ist er noch in Lebensgefahr?«
    »Die Frage läßt sich nicht eindeutig beantworten, nur soviel: Sein Zustand ist weiter kritisch. Vermutlich ist sein Augenlicht in Gefahr. Unglücklicherweise haben die Messerstiche in die Wirbelsäule das Rückenmark verletzt. Wenn er durchkommt, wovon wir einmal ausgehen, wird er in ein paar Monaten zwar einigermaßen wiederhergestellt sein, aber …«
    »Aber er wird den Rest seines Lebens im Rollstuhl verbringen müssen, stimmt’s?«
    »Wie es aussieht, ja. Leider. Es tut mir leid, Ihnen keine bessere Nachricht geben zu können.«
    Sie durften eine Stunde bleiben. Die ganze Zeit über hielt Johanna Thomas’ Hand, während David, trotz der Hitze die Hände in den Hosentaschen vergraben, aus dem Fenster auf den weitläufigen, großteils im Schatten liegenden Hof sah, wo alle Bänke besetzt waren. David grübelte, er begriff die Sinnlosigkeit nicht. Er begriff nicht, daß Thomas etwas mit Rauschgift zu tun haben sollte, doch die Fakten sprachen eine deutliche Sprache. Thomas, der brave, nette, unauffällige, höfliche Junge. Doch waren es nicht meist die braven, netten, unauffälligen, höflichen Menschen, in deren Seele sich ungeahnte Abgründe auftaten? Hatte er etwas falsch gemacht, hatte Johanna etwas falsch gemacht? Waren sie beide auf ihre Weise Versager? Wie kam ein junger Mann, dem das Leben wahrhaft noch offenstand, dazu, mit Drogen zu handeln? Er drehte sich um und stützte sich mit beiden Händen aufs Fensterbrett. Er sah stumm auf diesen fast reglosen Körper, der da, von Maschinen umgeben, mit geschlossenen Augen und sich kaum sichtbar hebendem Brustkorb vor ihm lag. Thomas’ Gesicht war zerschunden und zerschlagen, unter seiner Haut hatten sich Hämatome gebildet. Als die Stunde um war, wurden sie von einer altjüngferlichenSchwester gebeten, das Zimmer wieder zu verlassen. Sie könnten aber morgen wiederkommen.
    Sie fuhren wortlos mit dem Aufzug nach unten, liefen den Bürgersteig entlang und setzten sich auf eine freigewordene Bank. Die Sonne brannte gnadenlos von einem wolkenlosen Himmel, ein heißer Südwind blies durch die Häuserschluchten. Die anderen Kinder waren zu Hause geblieben. David und Johanna sprachen kein Wort, hingen beide ihren Gedanken nach.
    Nach schier einer Ewigkeit fragte Johanna: »Wäre das nicht passiert, wenn wir woanders wohnen würden? Wenn wir mehr Geld hätten?«
    »Wie kommst du darauf? Was hat das mit Thomas mit Geld zu tun?«
    »Ich weiß nicht, war ’ne dumme Frage von mir.«

Montag, 19. Juni
    Drei Wochen vergingen, es war Mitte Juni. Thomas’ Zustand besserte sich von Tag zu Tag, zwei Wochen nach der Tat war er aus seiner komaähnlichen Bewußtlosigkeit erwacht, er versuchte Johanna und David anzusehen, doch sie waren nichts als verschwommene Schemen vor seinem Bett. Fremde Menschen, die

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