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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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besuchte David diesen Mann, dessen Name Pierre war. David wußte nicht, ob es sein richtiger Name war, er kannte auch nicht seinen Nachnamen. Er wußte nicht, woher Pierre kam, was diese seltsame Tätowierung eines Schmetterlings auf seinem Unterarm bedeutete, warum er nie etwas über sich erzählte. Etwas trieb ihn an diesem Tag, als er die Bücherei bereits um halb fünf verließ, Pierre einen Besuch abzustatten. Einmal mit einem Menschen zu reden, der keine unnötigen Kommentare abgab, und wenn er etwas sagte, dann meist Gescheites. Er war in seiner Fabrik. Pierre trug, wie meist, einen mit Farbklecksen übersäten, dunkelblauen Overall auf dem nackten Körper, die behaarte Brust nur zur Hälfte verdeckt, massige, muskulöse Oberarme, so dick wie Davids Schenkel, im Mundwinkel hing eine halbgerauchte Gauloises, auf dem kleinen Tisch neben der Staffelei stand eine viertelvolle Flasche Absinth. In dieser riesigen Halle arbeitete Pierre, schlief er, aß er, soff er, und wenn er von seinem selbstgebrauten Absinth besoffen genug war, grübelte er über die Welt und sein Schicksal nach.
    »David«, nuschelte Pierre zur Begrüßung mit seiner dunklen, von Rauch und Absinth zerfressenen Stimme. Er malte, warf nur einen kurzen Blick auf David. »Hab dich lange nicht gesehen. Was zu trinken? ’tschuldige, hab vergessen, daß du ja nicht trinkst.«
    »Absinth wär okay …«
    »Seit wann?« fragte Pierre, ohne David anzuschauen, und wischte den Pinsel ab.
    »Seit einiger Zeit.«
    »Geht’s dir nicht gut?«
    »Es geht. Ich dachte mir, ich lass’ mich mal wieder bei dirblicken.« Pierre reichte ihm die Flasche. David wischte mit der Handfläche über die Trinköffnung und setzte die Flasche an.
    »Erzähl!« forderte Pierre ihn auf und malte. Die meiste Zeit verbrachte er mit dem Malen von Bildern, die keiner kaufen wollte, die er aber selbst für unübertroffene Kunstwerke hielt, und er schien die Hoffnung nicht aufgegeben zu haben, es eines Tages doch noch zu schaffen, daß sein überragendes Talent anerkannt wurde. Bis dahin verdiente er seinen Lebensunterhalt mit kleinen Skulpturen, kunstgeschmiedeten Blumenhockern, Kerzenständern …, die er auf Flohmärkten verkaufte, und dann und wann tauchten auch irgendwelche Frauen in seiner Fabrik auf, kauften etwas und ließen sich von Pierre vögeln. Er war ein seltsamer Kauz, der irgendwann in Frankfurt gelandet war und hier sein Nest gebaut hatte. David ließ den Absinth wirken und berichtete von Nicole und Thomas sowie von dem Mord an Meyer. Pierre hörte zu, während er malte, ohne einen Kommentar abzugeben, die ganze Zeit über hatte er David den Rücken zugewandt. Er wartete, bis David zu Ende erzählt hatte, und ließ eine Weile verstreichen. Er drehte sich um, nahm einen Schluck aus der Flasche und reichte sie wieder David, der sie leerte.
    »Das mit Thomas ist Scheiße. So was ist immer Scheiße. In der Fremdenlegion hab ich solche jungen Kerle krepieren sehen. Nicht sterben, krepieren! Achtzehn, neunzehn Jahre alt, die Beine weggeschossen, das Kreuz gebrochen, was immer. In Rollstühlen sind sie durch die Gegend kutschiert worden, ein verdammtes Scheißleben. Du mußt zu Thomas halten. Du und deine Frau. Wenn ihr’s nicht tut, wird er’s nicht überleben. Und das mit dem Kokain ist ein Scheißdeal. Glaub nicht, daß er da rauskommt. Vielleicht hat’s ihm aber wirklich jemand zugesteckt, doch wer und warum? Wenn sie ihn wegen Koks vermöbelt hätten, hätten sie auch den Koks und das Geld mitgenommen. Es gibt keinen Sinn.« Er schüttelteden massigen Schädel und schaute David kurz an, zog die ohnehin faltige Stirn noch weiter zusammen und nahm einen tiefen Zug an seiner Zigarette. Dann sagte er: »Aber das mit dieser Frau ist kein gutes Geschäft. Was will sie von dir?«
    »Wenn ich das nur wüßte! Manchmal denke ich, sie ist verrückt. Manchmal denke ich, ich habe mich in sie verliebt. Aber sie ist diejenige, die meine Schulden bezahlt. Sie ist sonderbar. Einfach nur sonderbar. Ich werde nicht schlau aus ihr.«
    »Es gibt keine Frau, aus der man schlau wird. Ich habe Frauen längst aus meinem Leben gestrichen. Frauen bringen nur Unglück. Vögeln ja, alles andere nein. Du mußt verdammt auf der Hut sein, mein Lieber.«
    »Das weiß ich selber, aber ich brauch das Geld. Diese Frau ist
mein
Strohhalm! Wir würden sonst langsam, aber sicher vor die Hunde gehen.«
    »So schnell geht man nicht vor die Hunde. Außerdem, warum arbeitest du nicht richtig

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