Die Bankerin
nebenbei?«
»Keine Ahnung …«
»Ich sag’s dir – weil’s dir Spaß macht, die Alte zu besteigen. Na ja, würde mir wahrscheinlich nicht anders gehen. Ist sie der Grund, warum du jetzt säufst?«
»Ich saufe doch nicht …«
»Ach, komm, mir brauchst du nichts vorzumachen! Du mußt aufpassen, du mußt höllisch auf der Hut sein. Ich habe immer schon gesoffen, und ich werde auch am Saufen verrecken. Was sagt deine Frau dazu?«
»Nichts weiter, aber ich denke, es beschäftigt sie. Ich merke das. Aber was soll ich tun?«
»Hast du nicht gesagt, du würdest an Gott glauben?«
»Was soll die Frage? Ausgerechnet du Atheist!«
»Ich stehe zu meinen Grundsätzen. Du aber offensichtlich nicht zu deinen. Du hast mir schon eine Menge von deinem Gott erzählt. War wohl alles nur leeres Geschwätz! So sinddie Menschen, mal so, mal so! Grundsätze gelten nur so lange, wie sie bequem sind. Sonst schmeißt man sie einfach über Bord. Mach dir nichts draus, das ist das Leben. Eine große, verfluchte Scheiße!«
»Du bist ein verdammter Zyniker!«
»Richtig, ich bin ein verdammter Zyniker! Und wenn du herkommst, mußt du mit meinem Zynismus leben. Und ich sage dir noch einmal, vergiß diese Frau! Sie wird dich ins Unglück stürzen. Hier«, sagte er und drehte sich um und klopfte sich auf die linke Brust, »hier drin spüre ich, daß du dabei bist, dich zu ruinieren. Und irgendwann wird deine Frau es herausfinden. Irgendwann wird sie merken, daß …«
»Nein, nein, nein!« David schüttelte entschieden den Kopf.
»Das wird sie nicht! Ich bin nicht unvorsichtig. Ich weiß, was ich tue …«
»Und warum bist du dann hier? Du bist doch nur gekommen, um mir die Ohren vollzujammern! Und ich habe zugehört und dir einen Rat gegeben; mehr kann ich nicht tun.«
»Ich brauche keinen Rat«, log David, »ich wollte nur sehen, was du so treibst.«
»Ja, ja, schon gut! Ich habe keine Zeit mehr. Verschwinde«, sagte Pierre ruhig, steckte sich eine Gauloises an und malte wieder und ignorierte David. David erhob sich, seine Schritte hallten von überallher in dieser weiten, hohen Halle wider.
Draußen wurde er von der Hitze fast erschlagen. Seit Wochen diese unerträgliche Schwüle, dazwischen immer wieder vernichtende Gewitter mit schweren Hagelstürmen, aufgeheizte Straßen, die wie Nebelmaschinen waren, wenn Regen und Hagel auf den heißen Asphalt krachten, die Hitze in den Häuserschluchten, die Hitze in den Wohnungen. David war auf dem Weg nach Hause. Duschen, umziehen, zu Nicole fahren. Und später, wenn er bei Nicole fertig war, noch mal duschen.
Als er nachdachte, an einer lange auf Rot stehenden Ampel, wunderte er sich, daß Johanna noch nicht das fremde Parfüm gerochen hatte, ihr noch kein fremdes Haar an seiner Kleidung aufgefallen war. Oder hatte sie es gerochen, durch den Alkohol hindurch, doch die Samariterin sagte nichts? Es hätte zu ihr gepaßt, der still leidenden Frau, die sich in ihr Schicksal ergab. Natürlich, da war die Gleichgültigkeit in vielem, sie regte sich auch kaum noch über seine Trinkerei auf, sie war jetzt schon den zweiten Sonntag allein mit den Kindern in die Kirche gefahren, während David sich in der Stille zu Hause vergrub und sich gleichzeitig nach der Gemeinschaft, der Geborgenheit sehnte. Sie hatten seit zwei Monaten nicht mehr miteinander geschlafen, und selbst das schien sie nicht weiter zu stören. Sie wechselten ab und zu ein paar belanglose Worte, doch immer häufiger stritten sie wegen Kleinigkeiten, aber wenn sie sich früher immer gleich wieder versöhnten, grollten sie jetzt stunden-, manchmal auch tagelang. Und die Liebe?
An diesem Abend klingelte bei Nicole das Telefon. Johanna. Sie wirkte aufgeregt, sagte Nicole, und David wollte gleich zurückrufen.
»Wollen Sie sie mißtrauisch machen?« fragte Nicole unwirsch.
»Warten Sie noch ein paar Minuten, Sie sind schließlich unterwegs und nicht ständig zu erreichen. Ihre Frau hat übrigens eine sympathische Stimme. Wenn ich allein nach der Stimme urteilen müßte, würde ich sagen, Ihre Frau ist eine schöne und sehr sinnliche Frau. Ist sie sinnlich und schön?«
»Sie war schön, aber sie war nie sinnlich. Reicht das?«
»Warum sind Sie dann bei ihr?«
»Weil sie gut ist.«
»Ist sie ein Engel, eine Wohltäterin der Menschheit? Oder wie soll ich das verstehen?«
»Vielleicht ist sie all das, was …« Er stockte und biß sich auf die Unterlippe.
Sie lächelte spöttisch. »Was? Was ich nicht bin? Helfe ich Ihnen
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