Die Bankerin
Schrulle. Machst du’s genauso?«
»Hau jetzt endlich ab und laß uns allein!«
»Bin schon weg. Aber Marquardt, Marquardt«, sagte sie und schüttelte den Kopf, als überlegte sie, »irgendwoher kommt mir der Name bekannt vor.«
»In einer Fernsehserie hat vielleicht mal einer mitgespielt …«, sagte Nicole.
»Mag sein. Aber ich seh nicht viel in die Glotze. So, jetzt bin ich aber wirklich weg! Gute Nacht.«
»Gute Nacht«, sagte David leise und sah ihr hinterher, diesem zarten Wesen mit der spitzen Zunge, dieser Nymphe mit dem unvergleichlichen Körper und diesen katzenartigen Bewegungen, die einen Schleier von Rosen hinter sich herzog und im Raum verteilte.
»Hast du schon einen Plan für Freitag?« fragte Nicole und schien belustigt über den langen Blick, den David Esther hinterherwarf.
»Ich lasse mir was einfallen.«
»Wie alt ist deine Tochter?«
»Dreizehn.«
»Dann kennst du den Geschmack der meisten Teenies. Aber Esther ist nicht wie die meisten Teenies. Sie geht auf das beste und teuerste Internat in diesem Land, sie genießt eine Ausbildung, die ihresgleichen sucht, sie ist selbständiger und erfahrener als die meisten in ihrem Alter.«
»Du hast doch vorhin selber gesagt, sie wäre noch nicht erwachsen …«
»Sicher ist sie das nicht. Erwachsen sein und selbständig ist ein himmelweiter Unterschied. Manchmal muß man bei ihr nur höllisch auf der Hut sein.«
Das muß man bei dir auch
, dachte David. Esther hantierte in der Küche, kam mit einer Scheibe Wurstbrot und einer sauren Gurke heraus, durchquerte das Wohnzimmer und kickte die Tür ihres Zimmers mit lautem Knall zu. David blieb noch eine Stunde. Auf der Heimfahrt dachte er an Esther.
Mittwoch, 22.15 Uhr
Johanna saß mit schweißüberströmtem Gesicht am Bügeltisch, ein Haufen gebügelter Wäsche stapelte sich, nach Personen geordnet, auf der einen Seite des Bettes, ein Berg noch zu erledigender Wäsche lag auf der anderen Seite. Sie hatte bereits die Hälfte weggebügelt, und es würde weitere zwei Stunden dauern, bis der Rest geschafft war. Sie hatte die Schlafzimmertür geschlossen und das Fenster geöffnet, doch alles, was hereinkam, waren Mücken und die nach den Farbwerken Hoechst stinkende Luft sowie die seit Wochen anhaltende, unerträgliche Schwüle, die wie ein bleiernes Gewicht auf Johanna lag. Dazu die Hitze vom Bügeleisen. Sie schalt sich eine Närrin, das Bügeln so lange hinausgeschoben zu haben. Durch den wenigen Schlaf der vergangenen Tage und die viele liegengebliebene Arbeit schmerzten ihre Beine selbst jetzt in dieser Sitzhaltung, ein reißendes Ziehen war in ihrem Rücken, und ihre arthritischen, leicht verkrüppelten Finger brannten von innen, was oftmals auf einen Wetterumschwung hindeutete. Ihretwegen hätte der Sommer vorüber sein dürfen. Alexander war mit Freunden im Kino, Nathalie und Maximilian schliefen. Auf der Straße spielten noch immer Kinder, Erwachsene unterhielten sich mit lauter Stimme, irgendwo zerschepperte eine Flasche. Laute Musik vermischte sich mit all den anderen vielfältigen Geräuschen dieses heißen Sommerabends. Der Wetterbericht hatte für morgen Temperaturen zwischen 36 ° und 40 °C angesagt, Johanna grauste es davor. Zum Wochenende hin müßte jedoch mit aufkommenden Gewittern und einer deutlichen Abkühlung gerechnet werden. Im Schlafzimmer waren es jetzt mindestens 35 °C.
Johanna strich gerade mit dem Eisen über ein rotes T-Shirt von Alexander, als das Telefon klingelte. Wie immer abends,wenn sie im Schlafzimmer zu tun hatte, stand das Telefon auf dem Fußboden neben der Tür. Sie stand auf, die Schnur reichte nicht ganz bis an den Bügeltisch heran. Sie wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und nahm ab. Sie meldete sich mit Namen, keine Antwort, nur schweres, ziehendes Atmen. Sie nannte ein weiteres Mal ihren Namen, diesmal etwas lauter, dann wurde der Hörer am anderen Ende aufgelegt. Einen Moment starrte sie das Telefon an, verzog verärgert den Mund und setzte sich wieder. Kaum saß sie, klingelte es erneut. Wieder stand sie auf, wieder meldete sich niemand. Nur dieses beängstigende Atmen, wie in einem harten Thriller.
»Wer ist denn da?« rief sie in die Sprechmuschel. »So antworten Sie doch!« Ein seltsames Geräusch, als kratzte jemand mit dem Fingernagel über den Hörer, dann war die Verbindung unterbrochen. Johanna begann trotz der Hitze zu zittern. Sie setzte sich aufs Bett und starrte auf das Telefon. Doch es blieb still. Ein dummer
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