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Die Barbaren

Die Barbaren

Titel: Die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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sich befanden. Sie sahen nur den Tod um sich. Es gab keine Entscheidungen, keine Überlegungen, nur die simple Wahrheit, daß sie sterben würden, wenn sie sich nicht wehrten.
    Und die alten Instinkte und die eingedrillten Methoden fanden an die Oberfläche ihrer Gehirne. Sie fanden zu Viererschaften zusammen, erschlugen die Bestien auf ihren sterbenden oder aufwachsenden Kameraden und hatten bald einen kleinen Kreis in der Mitte des Lagers frei von lebenden Wölfen.
    Urgat sprang mit dem Kriegsschrei der Quaren an Naffts Seite, als Kherr fiel, und Baragg folgte ihm, getreu seinem Versprechen, nicht von seiner Seite zu weichen.
    Dann war Urgats Erstaunen groß, als er sah, daß er an der Seite von Nottr und seinen Kriegern kämpfte, aber da war keine Zeit, darüber nachzudenken, was ihn mit seinem Gegner zusammengeführt haben mochte. Zu vage waren die Erinnerungen, und zu schrecklich, um sie zu wecken; und zu erbarmungslos war der Augenblick.
    Denn die heranwogende Flut grauer, hungriger Leiber wollte kein Ende nehmen. Nie zuvor war solch ein Rudel gesehen worden. Und die Menschen, die in ihrer Mitte um ihr Leben rangen, würden nicht mehr davon berichten können.
    Doch plötzlich wurden Nottres Augen weit vor Überraschung. Ein grauweiß gesprenkeltes Fell fing seinen Blick – ein Wolf, der seine Gefährten überragte, ein Riese unter den Wölfen. Und er kannte diese feurigen Augen und dieses Fell. Konnte es noch einen seiner Art geben, hier in den Wildländern?
    Oder war er…
    »Hark!« donnerte Nottres Stimme über das Heulen und Brüllen.
    Aber es war absurd, daß dieses Tier Mythors Bitterwolf sein sollte. Wie wäre er hierhergekommen?
    Und doch hörte das Tier seine Stimme und sah ihn an. Es warf den Kopf hoch und heulte, und die Angreifer fielen zurück aus der Reichweite der Äxte und Schwerter und standen hechelnd.
    Der Gesprenkelte war ihr Anführer, und sie machten ihm knurrend Platz, als er nach vorn ging, gemächlich, furchtlos.
    Urgat hob die Axt, um sie zu werfen, aber Nottr fiel ihm in den Arm.
    »Warte! Ich glaube…«
    Er tat einen Schritt nach vorn über einen Haufen von toten Wölfen. Die vordersten der Angreifer wichen grollend zurück und fletschten die Zähne. Aber sie griffen nicht an.
    Der Gesprenkelte ging auf Nottr zu und stand vor ihm, so nah, daß sie einander jeden Augenblick töten konnten.
    »Hark«, sagte Nottr eindringlich. »Bist du es? Mythors treuer Gefährte…?«
    Der Wolf lauschte. Erinnerte er sich? War es Hark? Oder nur ein anderer seiner Art? Nottr ließ kein Auge von ihm. Er hatte keine Furcht. Er war nur verwundert und neugierig. Neugierig, wie auch der Wolf es war.
    »Erkennst du mich, Hark? Erkennst du den Barbaren wieder, den dein Herr vor dem Scheiterhaufen bewahrt hat…?«
    Aber in den Augen des Wolfes war keine Spur von Erkennen, nur eine Verwunderung darüber, daß ein Mensch so zu ihm sprach: furchtlos und wie ein Freund, obwohl es seit Anbeginn der Zeiten keine Freundschaft zwischen den Menschen und den Wölfen gegeben hatte – und bis zum Ende aller Zeiten auch nicht geben würde.
    Vielleicht war es, weil er tatsächlich Hark war, vielleicht auch nur, weil diese Bestie spürte, daß dieser Mensch, der zu einem Wolf sprach, anders war – so wie er selbst anders war als seine Schar.
    Er schnappte nicht nach der Hand, die sich ihm entgegenstreckte und sein Fell zwischen den Ohren berührte und freundschaftlich streichelte.
    Aber er war auch nicht wirklich in einer Position, eine solche Verbrüderung zu dulden – auch nicht von Anführer zu Anführer. So knurrte er mit seiner ganzen Wildheit, daß jeder sehen konnte, daß es seine Entscheidung war.
    Und während die Krieger atemlos die Waffen abwehrend hoben, heulte er und wandte sich um, und die Meute folgte ihm mit eingezogenen Schwänzen und ungestillter Mordlust in den Augen. Still bis auf ein gelegentliches Winseln verschwanden sie zwischen den Büschen. Ihre Zahl mußte noch immer weit über hundert sein, und Imrirr mochte wissen, wie viele sie noch gar nicht zu Gesicht bekommen hatten.
    In der ungeheuren Stille, die diesem gespenstischen Abgang folgte, ließen sich die Männer erschöpft in den Schnee sinken. Ihre Blicke hingen ungläubig an Nottr. Sie hatten gesehen, daß er mit diesem größten unter den Wolfen, die sie je in den Wildländern erblickt hatten, sprach, auch wenn sie nicht hörten, was er sagte. Es war ein Zauber, wie ihn sonst nur Schamanen vollbrachten, und auch sie nur in ihren

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